Mathias Jeschke

Acanthocinus aedilis

Der Zimmermannsbock an der Holzwand,
sonnenerhitzt, schwenkt seine Fühler
von fünffacher Körperlänge und ich denke:
Ja, solche Fühler habe ich auch und ich
ertaste euch bei euren Gefühlen und Gedanken.

Und denke zu meinem Leidwesen: Scheiße,
ich bin verantwortlich oder könnte euch helfen,
beihelfen, verändern. Ihr seid die Kurzen,
ich bin der Lange, der Ausufernde, Ungebärdige
und Unfassbare, ja, der Unordentliche sogar,
dessen emotionale Empfindsamkeit euch scannt.

Das versteht keiner, der es nicht von sich selber
kennt, aber ihr spürt etwas davon, ein schieres
Unwohlsein, mal eine leise Sympathie, gleichzeitig
so etwas wie Abscheu oder Überdruss, da es
euch zu nahe kommt. Lasst euch nicht verhärten,

lasst euch ein! Kommt mir nah, aber nicht zu sehr.
Eure kupfernen Gedanken, euer sehnendes
Suchen erfasse ich mit der Angel meines Geistes.
Und das meint nicht den Intellekt, sondern die
emotionale Intelligenz, die in Gedichten denkt.

21. Juli 2015 22:55