Gerald Koll

Die Nacht

00:00

Der Gemeine Mond träufelt Licht.
Die Gemeine Schafgarbe legt es in
trugdoldig angeordnete Körbchen.

Der Pappelwald, ein anerkanntes Seefahrtszeichen,
bildet eine Pflanzenformation aus 37, 38 Stämmen.
Wurzeln pappeln miteinander unterhalb der Erde.

Der Herbst beginnt.

krsch, der Marder füllt
den Brutkasten mit Köpfen seiner Beute.

uhmp, die Graugans hat zu dieser Stunde
nicht mit dem Seeadler gerechnet.

gnirg, den Fuchs verstimmt, dass ein Kaninchen seinen Bau betritt:
Beißhemmung. Er geleitet den Besuch nach draußen.

(Gedichtzyklus in acht Uhrzeiten entstanden auf der Lotseninsel Schleimünde vom 23. auf den 24. September 2010, als bei Vollmond der Sommer in den Herbst überging)

6. Dezember 2010 00:53










Gerald Koll

Die Nacht

19:52

Am Schluss der Blauen Stunde hält ein
Grillenschrei den Sommer fest – –
schrille Grüße aus dem Blaugebet
auf das sich alles eingelassen hat:

Verschwörung schwärmender Vögel

Das Ufer ist ein Saum aus blauer Tusche.
Überall Ultramarin, worin der Mond …
thront. Auf seiner Strahlenlandebahn
heben Hevelmänner ab zur Himmelfahrt
durch seine runde Luke. Er wird sichtbar:

Johann Friedrich Sörnsen

Ein Lichtbild: Das Boot ist sein Bett,
im Bug liegt ein Berg, im Rücken ein Kissen
Seegras. Das fischte und verkaufte Sörnsen
als Matratzenfüllung:

bis 1960

Vierzigfünfzig Jahre später
schiebt eine Welle Beute
an die Bootanlegestelle.
Schwer der Atem. Seufzt sie?
Grillen schweigen, Blau lässt los:

der Mond stieg nie, wir fallen

(Gedichtzyklus in acht Uhrzeiten entstanden auf der Lotseninsel Schleimünde vom 23. auf den 24. September 2010, als bei Vollmond der Sommer in den Herbst überging)

5. Dezember 2010 18:57










Gerald Koll

Die Nacht

19:17

Der Maler stiller Leben malt still
vierzigfünfzig Jahre
mit Farben und Wasser Farben des Wassers

mit liegendem Boot mit stehendem Mann
während über Planken, Rumpf und Rippen
Wellen streichen

Man hält still für den Maler stiller Leben
seine Pinsel streichen Farben des Wassers
mit Farben und Wasser vierhochfünfzig Jahre

(Gedichtzyklus in acht Uhrzeiten entstanden auf der Lotseninsel Schleimünde vom 23. auf den 24. September 2010, als bei Vollmond der Sommer in den Herbst überging)

5. Dezember 2010 17:18










Gerald Koll

Zum Beispiel Habu Yoshi

Gerade gestern litt ich wieder unter Obsessionsmangel. Und dann diese übermenschlich Unbedingten, die längst durch sind durch die Rinne der Zweifel und die Eispassagen der Sinnfrage und die auch die letzte Felsnase überwunden haben, die die Obsession trennt vom Instinkt.

Der heutige Tag ist übrigens der Tag der Moorschnucke. Dies ist in den wenigsten Kalendern verzeichnet.

8. August 2010 23:27










Gerald Koll

Der Manga „Gipfel der Götter“ mit Zeichnungen von Jiro Taniguchi nach dem Szenario von Baku Yumemakura umfasst fünf Bände mit jeweils über 300 Seiten. Die deutsche Ausgabe folgt der japanischen Leserichtung von rechts nach links.

Er verfolgt den Bergsteiger Habu Yoshi bei seinem kühnen Unterfangen, den Mount Everest im Alleingang ohne Sauerstoff über die Südwestflanke zu bezwingen.

Der Roman „Der eiskalte Himmel“ von Mirko Bonné enthält keine Zeichnungen umfasst ein Buch mit 427 Seiten. Die Leserichtung erfolgt von links nach rechts.

Er verfolgt den Versuch Ernest Shackletons, den antarktischen Kontinent zu durchqueren. Gut hätte George Mallorys Satz zu Shackleton gepasst, gut hätte man daran anknüpfen können. Doch der Satz taucht im Roman gar nicht auf. Warum auch? Mallorys Everest-Expeditionen begannen 1921, als Shackleton zu seiner letzten aufbrach.

7. August 2010 14:23










Gerald Koll

steine

EINSTEINSAGTNEINEINSTEINVERNEIN
TEINSTEINSAGTNEINEINSTEINVERNEI
NTEINSTEINSAGTNEINEINSTEINVERNE
INTEINSTEINSAGTNEINEINSTEINVERN
EINTEINSTEINSAGTNEINEINSTEINVER
NEINTEINSTEINSAGTNEINEINSTEINVE
RNEINTEINSTEINSAGTNEINEINSTEINV
ERNEINTEINSTEINSAGTNEINEINSTEIN
VERNEINTEINSTEINSAGTNEINEINSTEI
NVERNEINTEINSTEINSAGTNEINWEINT
EINSTEIN

25. Mai 2010 09:04










Gerald Koll

Vertraute Fremde

Auf einer Bank liegt ein 48-jähriger Architekt. Nach einem Schwindelanfall ist er als 14-jähriger in der Vergangenheit erwacht. Er ist ein Mann im Leib des Knaben. Er denkt:

„Wie hoch der Himmel war …
Trotzdem hatte ich das Gefühl, die träge dahinziehenden Wolken seien zum Greifen nah. Der Himmel war doch etwas wunderbares …
Er stand über der Zeit und war immer da.
Wenn man von Ewigkeit sprach, konnte man genauso gut von ihm sprechen …“

„Wahrscheinlich wurde niemand jemals erwachsen …
Denn tief im Herzen bewahrte sich wohl jeder das eigene Kind, das immer weiterexistierte …
Genau wie der Himmel …
Die Zeit ließ die Menschen nur so tun, als würden sie erwachsen werden …
Und die Fesseln des sogenannten „Wachstums“ drängten das kindlich freie Herz immer weiter zurück.
Jetzt … da ich ein zweites Mal als 14-jähriger leben durfte, hatte ich das Gefühl, alles, was ich bisher übersehen hatte, deutlich vor mir zu sehen.“

(Jiro Taniguchi: Vertraute Fremde. (1997) Carlsen Verlag, Hamburg 2007, S. 174/175.)

21. Mai 2010 18:34










Gerald Koll

Familie

Hintergrund: Carl Gustav Carus, Brandung bei Rügen, 1819.

9. Mai 2010 15:55










Gerald Koll

Mutter und Sohn

Hintergrund: Carl Gustav Carus, Verschneiter Wald, 1823.

7. Mai 2010 15:49










Gerald Koll

Vater und Töchter

Hintergrund: Carl Gustav Carus, Baumstudie, 1826.

6. Mai 2010 15:27