Hans Thill

neunzehn

, ein Wort, groß wie der Schatten von Hans Test. Ihr so: XX
reicht nicht. Ein Wald, durch den ein Zug fährt. Die Knöpfe
am Hemd eines Holzfällers. Vielleicht minus eins.
Ihr so: Viele nennen ihren Körper einfach Koffer.
Vielen schmeckt der Wind noch zu süß

Jürgen Theobaldy

19

Zwei Silben, licht wie die Schatten von Tesafilm
auf dem Blatt Papier, A4 oder XL, wenn das reicht.
Ein Hochgeschwindigkeitswald fährt durch einen Zug
mit einer dampfenden Lok: bestimmt Jahrzehnte nach
dem Sürrealismus. Holzfäller gibt es nicht. Oder
in Kanada. Knöpfe gibt es? Reissverschlüsse gibt es!
Hemden gibt es auch. Aber die Jungen lehnen sie ab.
Sondern Pullis. Ihre Pullis schweiseln. Sagt Oma zu recht.
Andrerseits Oma lebt schon lange nicht mehr.
Flugtaschen ersetzen Koffer, Flügel haften still
an Körpern. In der Höhe schmeckt die Luft nach kalt.
Es gibt andere. Andere denken, der Wind ist süß gezuckert.
Doch sind sie am Boden, tief unten, sie rufen bodenständig:
Sterne in Sicht! Ewigkeiten in Sicht! Sei dabei! Steig auf!

5. Januar 2019 16:31










Hans Thill

Der Simplon sagt

die Vögel frieren nicht
sie haben Beine, dünn
wie Streichhölzer

Die Streichhölzer frieren nicht
sie setzen ein Ölfaß
in Brand

Das Ölfaß friert nicht
es ist der verstorbene Faun
aus verstorbenen Meeren

20. September 2018 12:57










Hans Thill

Zettel

im rinnstein

19. Mai 2018 21:06










Hans Thill

Zettel

zettel helden

25. April 2018 21:08










Hans Thill

Zettel

empfindlich

10. April 2018 11:15










Hans Thill

Zettel

karte auf platte

31. März 2018 23:09










Hans Thill

Zettel

hof

25. März 2018 17:01










Hans Thill

Sage und schreibe

Hans Test träumte: das Ende der Handschrift, das Ende der Hand-Naht naht. Moses sei ein Stammler gewesen, ein gehörnter Name aus einer Inselgegend, grünes Holz, in Staub gelegt, betretenes Gebiet. Ich sage Gryphius. Der Boden schwankt, der vor mir hergeht kennt jeden Schritt, heilige Vögel waten … die Lieder treten über ihre Ufer, und lauter kleine Flüsse stehen in den Kellern von Köln. Ich sage du schreibst, träumte Hans Test.

für Eva Zeller zum 95. Geburtstag

25. Januar 2018 08:24










Hans Thill

Guillaume Apollinaire zum 99. Todestag

Wir trinken den weißen Schlamm der Felder, tragen uns über Mauern
aus Reisig und Tarnseide. Im Hof der Pioniere kauen wir Getreide,
Musik aus Menschenhaut und ein Hund spricht objektiv. Ein Kopf
redet von den Mörsern und zerschossenen Kiefern. Die Knochen
reden. Ein Kopfverband im Wilhelmjubel. Wir blättern weiter
zu dem Zeigefinger über Züri. Wir blättern weiter zu den Arimaspen
über der Schampann. Die (kurze) Zeit heißt plötzlich ich und hat
bei eins schon ausgezählt. Es geht ein bißchen rauf, es geht
ein bißchen runter. Dazwischen liegt der tote rote Fluß.
Babel. Die Affen verlassen die chemische Fabrik, ein ganzer
Wald geht da nachhause. Ein Zeigefinger, der wandert, hängt
am Faden einer Maus. Ich lege meinen Leib neben die Marquise.
Ihr Schoß ist weich wie ein Turnschuh. Ich bin der Kosack
eines umzäunten Reichs aus Holz und Kohle. Ich bin
ein Sack Mehl auf dem Maultier nach Montmartre.
Die Marquise öffnet den spitzen Schirm, der eine Kirche ist
In einer Garage hinter festem Draht und Zucker bäckt sich
kyrillisches Latein, der Magen liest sich lieber satt mit Maggipulver.
Nieder mit Wilhelm, à bas Guillaume, in dieser Nacht waren beide eins
und zwei. In dieser Nacht fiel es ab von mir wie Gips, der einmal
Stein war. Ich lag versteckt im Hof des Kalahari, der damals Bischöfe
buk zu kühlem Brot. Es gab (wir aßen) Algen aus Algeciras,
Äpfel aus Baumwolle. Im Hof der Pioniere lagern die Tiere

Aus: Museum der Ungeduld

9. November 2017 22:50










Hans Thill

Als die Finger noch Schwerter waren

Alle meine Wörter sind weiblich außer Brad Pitt,
der ein amputierter Fuß von Ibn Al-Farid ist.
Erzähl mir was vom Meer, von seinen Innereien,
vom Doppelgänger des Flusses Jabbok,
der in Edenkoben versandete, freigelegt wurde
und erneut versandete. Erzähl mir was von Al-Nabegha,
seiner Wanduhr! Mein Haus ist eine Mühle aus Glas
und Lavendel, der Zipfel eines Traums einer Rose
direkt vom Berg Quasi, der zur Hälfte aus Saqr (Falke)
und zur Hälfte aus Qasr (Rietburg) besteht.
Mit langen Schritten geht die Dummheit zwischen
Bäumen umher und knetet sich einen Nebel.
Ach, ein Schuh ist gestorben, ach, die Lagerplätze
sind verlassen, die Asche noch warm, man kann
sie essen, aber man sollte nicht, sagt Malek,
der Strassenräuber. Eine Tür, die sich schließt,
ist noch lange keine Apfelin. Was wäre die Bibel,
wenn nicht große Mengen Obst auf einem kleinen
Stück Stoff, das der Nichtraucherengel
über den Schultern trägt, wenn er nachts wie zwanzig
Katzen durchs Rebland tobt? Was wären Tom
und Jerry, wenn nicht der rechte und der linke Fuß
einer Rakete? Alle meine Wörter sind Sandalen,
eher zum Hauen als zum Kauen, eher zum Stechen,
es sei denn der leere rote Mantel käme plötzlich zur Tür
herein, in der Hand das Brot der Schönheit aus
einem Text von Al-Muttanabi – sein Name ist
ein Storch aus einem anderen Traum, in dem es
genial von der Wand tickt als wäre eine Frau
im Schrank

Begrüssungsgedicht für
Lina Atfah, Aref Hamza, Mohammad Al-Matroud, Rasha Omran, Lina Tibi, Raed Wahesh,
Dorothea Grünzweig, Brigitte Oleschinski, Christoph Peters, Joachim Sartorius, Julia Trompeter, Jan Wagner
Tropenkoben, 28. 6. 2017

29. Juni 2017 09:45