Hartmut Abendschein

Martin Walser im Bodensee (Untersee)

(Jugendbild, Scan)

16. Juli 2009 22:45










Hartmut Abendschein

Ruiniert

Wir wechseln das Thema. Wir berichten vom Springbreak in Bambusia. Die Bambushexe fegt die Veranda. Zaghaft werden die Isolatoren von den Kübeln gewickelt. Pläne werden geschmiedet. Der eine oder andere Strauch wird betrauert und gestreichelt. Man reckt sich zur Sonne hin. In schwarzen Leggins und darüber etwas, das einmal orange war. It shalle beginne …

(Was treibt eigentlich Kerben Kleinstein? Und: Warum erhält diese Figur immer mehr einen double-bind-Status? Erinnerung und Beobachtung sind tückisch. Ordnungstrieb prägt mnemonische Gruppen. Diese sind schwer aufzulösen.)

Wieder, wie ein ewiger, ein vom Wind gehauchter Refrain: Das Wilener Gotteslob der Bauherren. Vom Bänkli vor em Huisli da gseh-i-a diä Pracht / wo d’r liäb God im Maiä fir d’Mäntschä hed gmacht. (Wir meinen Individualität und Identität: Wird Göttliches erst sichtbar vom Eigenheim aus. Korreliert Glauben mit einer gewissen Unbeweglichkeit. Kann ein Punkt das Andere nur punktförmig denken?)

Oder: Entspricht
das Andere stets
nur der Form
des Eigenen?

Hier könnte Ihr Satz stehen …

Am 2. Abend
An gelben Blumen gerupft
Die blauen geraucht

Merke: den Unterschied zw. Bloggen und postalischem System nach Derrida / Siegert. In Lovink, 70. Und: „Alles, was der Fall ist, wird weitergeleitet“. Und darum zitieren wir auch: Versuche dich selbst zu errichten, und du wirst eine Ruine erbauen. (Augustinus). (Aber, oder nicht?: Die notula als Maschine wechselseitiger Intro- und Extrospektion. Vielleicht ein „digital self-fashioning“ eines – aber schon – hybriden Selbsts. Wie kann in solcher Gespaltenheit auch imaginärer Raum und sharkiness erzeugt werden? Der Stil bleibt stets ein Stil der Aussagenprotokolle im Kampf mit einem verzweifelten Kommentar. Die Bedeutung bleibt reines Deuten auf Der-Fall-Seiendes in Bewegung.)

[notula nova 40]

20. Juni 2009 19:07










Hartmut Abendschein

Das Mussverständnis

Und heute wieder: die Socken mit den Löchern. (Das musst du selber wissen. Das musst du selber wissen. Das musst du selber wissen.) Neben mir im Bus – der ehemals oberste Preisüberwacher.

Ein Ungefallen
Im Garten der Bambushex
Das Giesskännchengrün

(Von hinten schauen alle immer so jung aus.)

Und: „Wenn wir noch in Gaubickelheim wohnten, dann wärs ein Klacks“ (Alice Schmidt, Tagebuch 1955). Das Mussverständnis. Das Internet? Langsam erhärtet sich der Verdacht, dass es sich dabei um immer dieselben 6-700 Leute handelt.

About Twitter: die Möglichkeit eines Kommentars ohne Kommentandum. Die Möglichkeit eines Aussagenabschusses in einen kaum strukturierten Raum, auch: in einen Raum ohne Festkörper. (Eine Schiessübung im Freien, im Wald).

Dabei die Paradoxie: die zunehmende Toleranz der Normalabweichung und die zunehmende Normalabweichung der Ignoranz.

Lyotard (Nach Barthes, Neutrum, 302, FN 488): Der Augenblick ist gekommen, um den Terror zu unterbrechen. (Dies alles nur theoretisch …)

[notula nova 36]

20. Mai 2009 08:01










Hartmut Abendschein

Colombo Müller

epoché, Zurückhaltung des Skeptikers. „Ich schreibe keinen entschiedenen Satz mehr, ohne versucht zu sein, ein ‚vielleicht‘ hinzuzufügen“ (André Gide, Tagebuch 1939-40, vgl. auch Barthes, Neutrum, 93)

Dort, auf der nächsten Seite: Der neutrale Diskurs ist im Idealfall keineswegs ein Diskurs im Konjunktiv, denn die grammatischen Modi gehören noch zum Sein. (Vielleicht (vielleicht!) deswegen die Aggression, die den Leser Kerben Kleinstein überkam, als er Dranmor las, dieser: bewusst ein Diskurs in den Konjunktiven … Hier auch an den Plural denken. Überhaupt: Dranmor (den Text, die Figur, den Erzähler als Erscheinungsformen des Neutrums betrachten.)

(Zum Werk vs. Schreiben:) Das Werk: als Idee der Konzeption und Umsetzung, der Produktion und Projektion also, eine (Duft-)Marke. Das Schreiben dagegen, das auf sich selbst zielt, als Transpirationsprozess. Letzteres als (eigen-)körperwichtige Funktion. Als Stoffwechselfunktion. Ersteres als Impuls der Einflussnahme auf andere Körper.

Und: Der Anzeiger und seine Anzeiger. Die gewerbsmässigen Denunzianten. (Man denke an die Lifestyle- und Personalityspalten der Gratisblätter, die nun auch die anderen zu durchziehen beginnen. Sykophantenmärkte. Egglotogastorendienste der Nachtseitenmenschen.

Nicht: stw = colombo AND müller

Überhaupt: besteht die Welt aus Licht und Husten. (Was ich mache, sagt mir B., sei Protokollliteratur. Was er mache, sage ich B., sei Traktandenliteratur. Wir beschliessen, uns irgendwann einmal zusammenzutun.)

Noch einmal zu meinen Lektüren, Verknappungen, Anverwandlungen und Umwandlungen: Dem „Sinn“ der notula? Vielleicht mag man es auch als eine Art Zuschauerkunst bezeichnen. Es wird eine Möglichkeit des Schreibens gegeben. (Und nun und darum: wo man auch über den Blick arbeitet, immer drängender die Frage: Warum und woran entdecken und erkennen mich die Dinge?)

Der Tagesfilm wurde noch nicht gedreht. Was sucht nach mir? Was begehrt mich? Was will noch eingefangen werden? Vielleicht der Hofmannsthal da an der Wand? Profilweise und in Konfrontationsgegenstarre: Fingerring, rechte Hand. Jackenknöpfe, Stehkragen, Schnauz und Scheitel. Daneben: die Löschdecke flame stop.

[notula nova 34]

21. April 2009 08:54










Hartmut Abendschein

Spieltheorien

Und: Nichts leichter als eine Theorie der Fragmente. Nichts schwerer aber als ihre Ordnung. (Vgl. Barthes, Neutrum, 41f. Ein Vorteil eines literarischen Weblogs, da, je nach Software, immer: random function. Gerechtigkeit).

Noch ein Name. „Hans Lick“, nach dem Hanslick-Syndrom. (Über die „Moderation des Archivs“ nachdenken. Zwiegespaltenheit. Einerseits Befreiung des Worts, Zerstörung des Kontexts (Operation Freedom), Datenhegelianismus, Vision. Andererseits: Verlust der Sicherheit über etwas sprechen zu können. Ich wird zum alleinigen Kontext eigener Rede. Trauer. Nostalgie).

Überhaupt: Bevor es zu spät ist, bevor es eng wird. Der spatial turn. Die Landschaftswissenschaft. Promenadologie. ( „I have a nightmare“ und „Wo ist der goldene Fallschirm?“. Go to Minoritenkultur.)

Das Hugo-Ball-Spiel (Skizze): Das Krippenspiel wird in 5-6 Sprachen und phonetisch kontrastiv auf einer Matrix (mit Kontingenzmechanismus qua Reload) dargestellt (aufgetischt, aufgebahrt, verexcelt, wieauchimmer, digital natürlich). Heisst: Phoneme isolieren, Datenbanken, random function, laut lesen, lachen, neu mischen, lachen …

„Schwarz ist es ja, aber Lakritze ist es nicht“ (Frau Waas zu Lukas, dem Lokomotivführer)

Nachtrag zum Hugo-Ball-Spiel: Lange Diskussion darüber mit BH Franzen. Prinzipielles Einverständnis in die Notwendigkeit des Spiels. Aber. Kompetenzzuordnungsfragen. Ansatzdivergenzen. Verantwortlichkeiten. Heute sind wir keine diskursive Formation. Heute versandet die Sache. Aber immerhin: die Idee wurde gedacht, steht hier und ist damit schon bestens umgesetzt.

[notula nova 31]

24. März 2009 13:13










Hartmut Abendschein

Beim Münchner Micha

Draussen tobt die Normalität. Mit dem Münchner Micha feste in der Innenstadt getrunken. Dann ins Fraunhofer, x-cess, Trachtenvogel. Wir stellen fest, dass wir Publikum und Interieur nicht mehr sortieren können, weil … sich alles verändert hat? Oder weil: wir dafür keine Begriffe mehr haben? Oder weil: s. Satz 2? Jedenfalls hat der Micha vor kurzem seine Armbanduhr verloren. Und ich rate ihm vom Kauf einer Neuen ab. Wir diskutieren eine kleine Philosophie der Uhrenlosigkeit.

Und verkrachen uns beinahe daran. Renitenzerhaltungsenergiekopplungen. Subjektivzeitakkumulationsfragen, Signifikation und Symbolisierung durch Leerstelle. Dies zählt alles nichts. Ich versuche die Punkte noch einmal am nächsten Tag zusammenzutragen. Es sind nur noch wenige da.

P.S.: Der Münchner Micha ist jetzt auf löslichen Kaffee umgestiegen. Aber Fair Trade. Und Bio, wie er sagt. Das dürfen auch alle wissen.

2 Jahre habe ich den Micha nicht besucht. Seitdem hat sich viel getan. Er ist mit Partnerin umgezogen. Auf der Toilette gibt es nichts mehr zu lesen. Ich frage ihn, was los sei. Bologna? Er antwortet nicht und legt das Programmmagazin „in“ neben eine Rollenburg. Nach meiner Abreise wird dort sicher wieder nichts liegen.

(Wir beschliessen aber: Ein Museum der Handgriffe muss gegründet werden. Und: vielleicht ist das Schreiben aber auch nur … professionalisierte Innerlichkeit.)

Notstromprobe am Karl-Preis-Platz. Rolltreppenprobleme. Schnellstmögliche Behebungen. (Micha hat sich eine neue Uhr gekauft. Casio. Digital. Das Zwicken an Haut und Haar hat nicht unmittelbar mit dem Neuerwerb zu tun. Seien ganz normale Zeitschmerzen, erfährt man.)

Im Tollwood: „Man kann ja nie wissen, was alles so passiert“. – „Ja, passieren kann schnell was.“

Im Wassermann: Schwaben ohne Schwaben gegen Bayern ohne Bayern. Sprechen der Sprache ohne Sprache. Leichtes Weissbier (2.4 %). Lucio. Cacao. Und andere Bekannte. Alte Streitigkeiten werden überspielt. Stuttgart führt nach 45 Minuten 1:0. Nervöse bayrische Raucher vor der Tür. Alles friert.

Dann: 1:2 gegen die Gastgeber. Apathie. Lethargie. My mourning table, subsound Ländler. No a Weissbier, bittschön.

Dankschön, Micha.

(Auf der Heimfahrt im 4er, 3 St. Gallener Visagistinnen. Wie Oberflächenoptimierung? Wie Sonnenschutz? Wie Sonnung mit dunklem Teint? Welche Zeitschrift und wie lesen? Wie richtig Skifahren? Wie Taschenkaufen? Etwas ist zu teuer: Mama, Papa und Geburtstag fallen mit Weihnachten zusammen. Undsoweiter.)

(Überhaupt: Wohin man überall Dinge schrauben und stecken kann. Ohren, Nasen, Brauen, Lippen, Zungen, Zähne. Selbst im Häutchen (Name?) zwischen Oberkiefer/Schneidezähne und Oberlippe ist noch Platz für einzwei Ringe.)

[notula nova 26]

20. Februar 2009 09:25










Hartmut Abendschein

Grüne Dinge (notula nova 4)

Die strenge Konsequenz, aber auch das, was das Eigentümliche (die quidditas, Washeit und die spezifische Differenz des Haiku, der EPIPHANIE und der BEGEBENHEIT (incident, H.A.)) ausmacht, ist der Zwang zum Nicht-Kommentar. (Barthes, Vorbereitung, ?)

Montaigne: So gibt es triumphale Niederlagen, die es mit jedem Sieg aufnehmen können.

Nebel lichten sich 
Kähne
vertäut an dem Steg 

Zwei müde Fischer

Seit Nächten immer die gleiche Sequenz eines spannenden Hörspiels lauschen. An der immergleichen Stelle in einen tiefen Schlaf fallen. (Die Bedeutung dieser Stelle. Narkotische Dichtung? Spez. sprachl. Eigenschaft oder Atmosphäre? Der Beschluss, diese Stelle auch einmal tags zu hören).

Bruder Klaus hat seine Familie verlassen, um sich in einem angrenzenden Tal zu Tode zu hungern. Wo ist da der heilige Moment? Und die quidditas?

Notiz (notula) > Nota (notatio). (Barthes, 15). In der Notula also die Beschaffenheit eines Textes vor der Überführung in ein anderes Medium. Vor dessen Bearbeitung, Formenwechsel, Form. (Das ungeschliffene Ereignis, incident? Ursprünglichkeit?)

Surfgitarren. (Geschmeidig, beiläufig). Green things have entered my skin. (So far: Ich kann mich nicht erinnern je ein Mofa besessen zu haben. Ich kann das allerdings auch nicht ausschliessen.)

Und: Die Welt scheint nicht so informiert zu sein, wie viele denken. Kein Mensch schrieb über den Vulkanausbruch am vergangenen Tag bei Luzern.

“Satori” aber auch mit Blitz zu übersetzen. Die Entladung zwischen zwei Schichten. (Das Leuchten, das Beobachten dessen, Lesen, Nachvollziehen, Erkennen. Doppeltes Blitzen. Donnern?)

10. Februar 2009 20:05










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