Karin Fellner

Dann sagte jemand: Feld von der Liebe bestellt.
Hat Liebe das Feld geordert? Gerodet? Angeordnet?
Welche Feldlinien zeigt Ihre Hand, werte Liebe,
wonach sind sie ausgerichtet, wohin krümmen sie sich?

Als Kind wurdest du durch Kummer und Trutz gezogen
und nu trete ich hinzu mit meinen armen Armen
und will daraus Flügel ableiten.

Wieso heißt das: Himmels-„Zelt“?
Sphären steigen durch Sphären, biegen ab, verschwinden.
Wir betrachten ihre nicht nachvollziehbaren
Manöver auf dem Radar.

Die sprunghaften Felder des Staubs, Staub auf dem
Spielplatz, Staub auf den Mohnkapseln, Staub in unsren
Gehirnen, dazwischen leere Schaukeln.

Werte Liebe, wir sehen Ihr Labrum, Ihr Labium zittern,
die blauen und grünen Flecke,
wir tragen sie.

Liebe, Libelle, wir legen uns so und so aneinander,
wenn die Dichte sich ändert, Halme, auch diese Felder,
sagt jemand, gehen in großer
Entfernung gegen Null.


(aus dem frisch erschienenen Gedichtband „Polle und Fu“, parasitenpresse 2024)

24. Februar 2024 14:11










Karin Fellner

Sisisi, sagt die Meise, bejaht die Risiken,
die riesige tragikomische Aufführung mit dem Titel
„Immun-Bataillone der Erde“.

Das allgemeine Streben, Strecken humanoider
Hände nach höheren Decken, mit quirligen Instrumenten
werden Sequenzen aus reduplizierten Strängen
zu neuen Sequenzen gelegt.

Am Herd steht Madame und schaut dem Wasser beim Aufkochen zu.
Die ineinander verketteten Moleküle werden zu einem Gewühl.
Wie lang können sie einander festhalten, wann
gleiten wir über die rutschigen Ränder als
schwankende Gestalten, die „Unheil“ und „Heilung“ sagen
oder „die Kranken und Alten“?

Hier wächst ein Hollerzweigle,
hier sitzt die laute Meise
und singt ihr Sisisi.

 

22. März 2021 15:02










Karin Fellner

Willkommen, Augusta!

In Augusta Laars poetischer Welt rast es, blitzt, springt, schnappt und kickt es, ein Beat durchzieht ihre Verse –„hey hey my my“ – , in denen sich David Bowie und Faye Dunaway auf ein Augenzwinkern treffen, ein spaciger Mix aus Dunklem und Wildem, aus Ironie und Punk: „von oben oh jesuspilz von unten / oh fischpudding“!

Hiermit begrüße ich Dich, liebe Augusta – geschätzte Poetin und Poesieveranstalterin – freudig und herzlich bei den Fischen!

13. August 2020 13:36










Karin Fellner

Mutier

Tapeten will der Tapir nicht mehr kleben,
bringt nix aufs Tapet, schlupft drunter.
Der Aufsichtsrat ist verschnupft:
was soll der zerschlissene Teppich?
der ist doch niemals tibetisch!
Der Tapir indes guckt die Faserung der Strahlen
und fadenscheinige Flecken und nickt: die mag ich gut.

22. Juli 2020 14:18










Karin Fellner

Scharf leuchten Überreste von Werksgeländen, eine

Schwalbe im Sinkflug ruft: Nehmt das Kopfblueten an!

 

Mineralischer Mittag, schon sehen wir nicht mehr scharf,

sehn schon umami und bitter.

 

Werden Sprechapparate auch künftig in Wesen montiert sein? frag ich.

Und du: Wenn wir erfahrener wären im Bitteren, dann …

 

Erzähl doch bitte noch einmal, wie auch das Licht ermüdet,

wenn es vom Boden auf und gegen die Gravitation fliegt!

 

Die auf den Index gesetzte Sonne leuchtet uns

fort

 

(aus dem eben erschienenen Band „eins: zum andern“, parasitenpresse Köln 2019)

18. April 2019 08:17










Karin Fellner

die strudelnden

Plätze, Pläne (sag gleich: Projekte) drängln herbei und belagern,
belangen mich nicht, ein Mund strömz aus und noch einer, nichts
hält und eine Weile lässt sich lange so sitzen im Eck, leere Wand, leere Welle

Zuspruch aus dem Off: „Wann die Münder so krachen, heißts, dass die Spucke sich ändert“

hier ende ich langsam, ach, all die wrongen Worte, unser hastig Gebaren!
die trunkene Pappel geht in mein Ohr, mir ein, Oratorium, mich
driftend erscheinen Menschen, Namen, Orte, scheinige Sprach-
salven, wolln nicht verfangen

dabei teilen wir doch und ganz konkret unsre Knochen, werden durchgespeist,
suchen, versuchen, stochern –

23. Dezember 2018 10:38










Karin Fellner

Phantominseln

treffen sich o und a, fliehen durch Apparatore, sobald

der Szientist sie herbeizitiert, Linsen auf sie zentriert,

tun sie zuerst ganz fest-

körperlich, aber bleiben unfoamulierbar, gehn

/

o und a im Labor dem Szientist durch den Kopf,

will er sie: Kategorien, kartografierbare Teile! Doch auch in dieser kost-

baren Versuchsanordnung sind sie ver- und entwischt

/

in einem Geflecht sind die beiden vielfach verhakte Knie, jenseits von Er/Sie,

Wellen vor der Schnauze des kosmischen Cephalopoda

/

Inseln sind a und o nur in der Draufsicht: drunter,

ahnt der Szientist, sind sie vollzählig und

verbunden mit mannigfachen Rohdaten und Atollen

9. Februar 2018 07:19










Karin Fellner

chroniksch

wellig gehen Orte auf und unter
Miesfäden, Moosfäden,
verfilzte Generationen

Torf, Bregen, abgedeckt
die Schädelplatten der Haie
weißt schon, Haie mit Bärten

abgedeckt auch die Soden
von mageren Jongens, ha
ihre verbrannten Gebeine

und am Kliff, war das Schilf, ging das schief
ein und aus
unterm Ab-Abdecker

Torf, am Totenfenster
steht noch der Leuchter, sah
seine Arme schmerzen

indes hocken Haie und Jongens gemeinsam am Hafen und
lachen und essen einander
hier alles in deutscher Hand

18. Oktober 2017 07:35










Karin Fellner

Komische Symmetrie

Alles hat seine Gegend. Hat auch sein Gegending.
Gesagt: Ich erledige das, schon merk ich, dass mich das erledigt.

Klipper des Denkens kippen in diese, jene Richtung,
ich flip-floppe drauf herum und schwa/enke mit meinen Segeln.

Angenommen, ich mache in Reifen oder in Reimen,
je länger ich das betreibe, je mehr macht Reif/Reim in mir.

Oder ich wache auf, halb außerhalb, wabernd, ein Blob.
Sitz ich dann, halt halt den Stoff, bis der Stoff mich hält, in Form.

Gesetzt den Fall, mir setzt sich ein Angstschlapphut auf,
der grummelt: weltverlassen biste, bleibst geschasst.

Probates Antidot: Stülp ich den Hut um, denn drinnen
wohnt die andere Angst: Bedrängung in gläsernen Räumen.

Verwandt und anti-verwandt, macht eine die andere aus,
löschen sie sich einander, Interferenzspektakel.

Notabene: Du, Knödel auf meinem Teller, gibst dich bereitwillig hin.
So will auch ich mich bereiten, meinen künftigen Essern ein guter Knödel zu sein.

8. September 2017 07:53










Karin Fellner

One Look Equals Three-Quarters of a Whisper

Once again, a dark window, a plaque
full of molecular structures and migrating galaxies.

Eureka! Those shy, those rare butterflies,
and how the eyes pan across as they flutter back into the abstruse.

As your bent head teeters on bent hands, the point,
phantomlike, remains as many fathoms deep.

Pulling from below, pulling the mass of the earth on a yarn,
your thinking sways above the physical maps.

What does that tell us, Madame?
Does it let itself be solved, this fourth of the night?

(Poem translated by Zane Johnson, USA, 2017,
who is finishing his Bachelor’s at the University of Colorado Denver and plans on studying in Germany in the coming year through a Fulbright.)

––––––––––––––

Einer Einheit Schau entspricht dreiviertel Raunen

Abermals Dunkelfenster, eine Tafel voller
Molekularstrukturen und wandernder Galaxien.

Heureka, die scheuen, die seltenen Dickkopffalter,
wie sie beim Schwenk der Augen zurück ins Abstruse flattern.

So wankt der verbogene Kopf auf den verbogenen Händen,
Schwergewicht, Phantom, wie viele Faden tief.

Von unten da ziehts, da zieht die Erdmasse an einem Garn,
pendelt das Denken aus über physischen Karten.

Was sagt uns das, Madame?
Lässt er sich, meinen Sie, lösen, dieser Dreisatz der Nacht?

(Karin Fellner, 2014)

12. Juli 2017 07:30










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