Sünje Lewejohann

nordmeer

jetzt rollt der nebel
ich bin es längst das
vergessene ding im hotel der koffer im weg
zwischen den füßen ist immer was
ein krümel ausgefallene wimpern
aufgerollte strümpfe auf den nassen fliesen
ich habe es pochen gehört dein
herz dein augenöffnen am morgen
was ich mir wünschen wollte und

nichts geschah
das hafenwasser im körper nur
nur
ich habe einen gürtel voller fischflossen
da kannst du hinschauen auf der suche
nach den augen und köpfen
ich dein hagelschauer
alles wieder eingepackt
hinunter
das dickicht neben der straße

marschieren
dich im auge
zum hafen
wie immer wenn es heikel wird
nebelhorn ich bin so gerne an bord
so gerne.

21. April 2010 16:24










Sünje Lewejohann

in den hirschen II

legt seinen schönen körper
in sanftesten scheiben auf den teller diese
hirschgabe und doch
ganz weiß sein weißes fell in der erinnerung noch
sein großes rudel am gesäuge tröpfchen für tröpfchen genährt
an dem tag als der fremde ertrank im tückischen flüsschen
gewarnt hatte ich dich milchmaul
erstens: niemals von zuhause fortgehen
und wenn dann das dach mitnehmen den misthaufen die hohle eiche
zweitens: immer den teller leer essen einen
für den lieblingshund einen für die jungen kriechenden katzen
einen für die hand deines vaters einen für das gurgelnde rudel
einen für die mutter im fluss
in der nacht wird man sich erbrechen
drittens: trag den frost auf den armen ins dorf
einen für die ganze welt.

9. April 2010 08:37










Sünje Lewejohann

pferde

mit schweren stiefeln
zum schnüren
männerkleidung an dünner haut
führt die hand über den mund legt
die finger auf die augen
fasst zwei jahre lang niemanden an
ans gesicht
nichts lassen ans jochbein
nichts lautes nichts zerzaustes
blick über regenrinnen darauf elstern tauben und
unten auf der straße wird auch schon wieder geschrieen
eine frauenstimme schrill und hoch mit
den schultern gezuckt als
auf dem ausgebessertem asphalt
plötzlich pferde laufen scheuklappen kutsche.

pferde

wenn man zurück könnte dann auf einen sprung
dorthin sich das karierte kopftuch nehmen
zum rübenschälen und kälber füttern
das knarren der kleinen pforte hören
die saure milch riechen überall
die katzenschüsseln und die toten fliegen
darin
auf dem heuboden verschwinden alles von oben betrachten
die pferde von der weide holen
ramskopf und krötenmaul
heimlich im stall schlafen
das tränenbein mit den fingerkuppen zudecken sonst
nichts
als einzigen vogel noch die schwalbe hören kreisend
immer kreisend
mit geschlossenen augen endlich sehen
wie das licht sich selbst frisst.

6. April 2010 19:14










Sünje Lewejohann

In den Hirschen

einmal in den hirschen sein
mit ihren augen den wald erblicken sich
auf klauen fortbewegen im laub
auftreten und nichts anderes kennen
sich in den fang der füchsin verlieben
ihre blitzenden zähne sich an die kehle wünschen
die flanke zittern lassen ein geräusch
ausstoßen das sich von einem körper zum nächsten trägt
dachs hase reh neigen ihre köpfe
einmal unter der krone aus blättern sein
das laub niedertreten
am lieblingsbaum kurz rasten das geweih
in ein anderes verhaken den kopf heben und rufen
rufen
den waldrand beäugen
sich nicht verführen lassen.

26. März 2010 22:20










Sünje Lewejohann

Heilige

Heilige
das Laken darauf
ein gelangweilter Körper
dem der Kopf hinterher nickt.
Eine Ameisenkönigin
die sich zwischen Sonnenstrahlen
und windiger Nische auf die Dielen wirft. Dreht
immer im Kreis sich dreht mit
feuchten Flügeln Taille
Holzfehler und Kerben
an den krummen Zehen
Wie Christusfüße
ein Aufbegehren
andauernde Visionen und
auf das was geliebt wird
pisst der Kater.
Landschaft nur Häuser und leere Balkone verstädtert
die Haut die Blicke die gebogenen Füße immer noch
ein Brummen des Kühlschranks
Mittagssonne
Schlaf
fernsehen.
Steine die aus der Haut wachsen
Im Hinterhof ein Rudel Hunde.

22. März 2010 09:56










Sünje Lewejohann

geboren werden oder

sich nie wieder fallen lassen in ihre immerkalten Hände, weil sie die Finger spreizen würde. Also sehen, wie sie mein Kind an dieses Handkalt nehmen will. Alles, was aus mir mal kam verdrehen. Zur Rettung kommt das Wölben der Zunge im Klang der lauten Straßen, vier Stockwerke darüber an das rostige Geländer gelehnt, die Autos hören und die leiernde ölige Popmusik. Bis es zuende ist leuchtet: Jeder Staubpartikel voller Großstadt. Eine Biene in eingetopften lila Blütenkelchen. Veilchen fehlen und Kaffee mit Dosenmilch aus Tassen mit Jagdmotiv. Stattdessen wie eh und je gefälschte D&G Halsketten, die Kippe zwischen Daumen und Zeigefinger in der hohlen Hand geraucht. Saugen wie um Luft zu holen. Der überhelle Leopoldplatz, die großgrelle Kreuzung. Den Blick über die Brüstung nach unten gerichtet, um nicht die Sicht zu nehmen im Neon. Wo sie sich plötzlich blicken lässt, Jahre verspätet.

28. Januar 2010 11:17










Sünje Lewejohann

wilderer kehrt den rücken zu

als bärin verkleidet
aus dem wald kommen
die wilden sterne am stadthimmel deuten können
die tatzen ausfahren mit der zunge
die luft lecken keine sätze an den lefzen
zähne die nur an das eigene fleisch stoßen dankbar
auf allen vieren das vergöttern vergessen
im dunkeln gesättigt sehen
streunen sich auf die trockene erde werfen wälzen
eine viel zu grobe hand fühlen an der kehle zwischen
den beinen an lefzen augen pelz stöhnen
sich den lauf verletzen
den zerwanderten körper zum blattschuss tragen.

13. Oktober 2009 11:34










Sünje Lewejohann

PETER LAUGESEN IM RITTERSAAL AUF HALD

schreib tiere.

schreib große worte und kleine,

schreib schnecken ins gras und vögel auf zweige.

schreib all das weswegen und zu ehren von,

schreib all die großen, all die kleinen.

schreib wörter.

das ist, was du verlieren und einbüßen wirst,

was du suchst und tust, was du findest und bist.

schreib deinen aschenen kajak auf den spiegel des sees hinaus mit allem,

was vergessen und verschwunden sein wird,

all das

und dann lass die mätzchen fallen.

(Peter Laugesen, Skriv dyr, Übersetzung: Sünje Lewejohann)

5. Juni 2009 11:34










Sünje Lewejohann

wieder eingefallen

am ortsausgang kroch dir schnecke den daumen entlang. niemand tat etwas. als der wind pfiff und man mit den augen sich an der spur entlang tastete, den spurrinnnen glauben schenkte, mehr war nicht einmal nötig. ich habe dir gesagt: laß dich nicht tragen. vom wind nicht, vom wasser nicht. kriech an der hecke entlang, bleib nahe an den büschen. es schießt, wie immer, aus allen ecken. hinter den gardinen leuchteten die fotos grell aus all den jahren. sich weiter um die büsche schleichen, drück dich auf den rasen, das sagte ich, ich bin nicht sicher, war es das?. die schnecken krochen ihren weg über die brauen. bräutigam sein und braut: je nach dem.  wir lachten noch lange, weil er im kleid bei uns blumen streute. auf all den fotos, jahre her. bevor sie weiter schossen, der wind um die häuser pfiff, und wir dann froh waren unter dem ortsschild mit dem durchgestrichenen namen. wo man schlafen konnte, das gesicht auf das gras legte. ich die leichten finger auf dem jochbein.
suenjebaum

11. Februar 2009 00:01










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