Sylvia Geist

Auf ein Neues

29. Dezember 2023 16:57










Sylvia Geist

An dem Oktobertag sah ich Bäume.
Die Bäume umringten einen See.
Termitenstaub flirrte. Ein Spinnenfaden
wuchs aus einem glühenden Stumpf.
Das war meine Verbindung minutenlang.

Jetzt will ich lieber als Bärin weiterleben,
aber ich bin schon wieder zurück
in meiner monströsen Haut.
So viel werde ich auf dieser Welt
nicht mehr sein. Tier, Geschöpf,
das unschuldig schweigen kann, bei Trost.

Oder getröstet vom glücklichen Platz,
vom Gespräch des Wassers mit dem Licht.
Denn das ist sein Versprechen:
Stille wandert
und bricht.

14. Oktober 2023 23:54










Sylvia Geist

Samisdat

Ein Freund schreibt mir von
zwei Gedanken, beide von heute,
ich berichte ihm von meinem
zweiten Gehirn, dem im Bauch,
wo beredte Bakterien Dienst tun.

Es gebe solche, die lassen die Maus
tapfer wie ein Samurai der Katze
ins Auge blicken, einer Welt,
in der sie es besser haben werden.
Bedenkend, was von Verdauung lebt,

Irrtümer, Mut, Entscheidungen,
fiele es schwerer, von unten
und oben zu sprechen. Jede Energie
frisst die Ordnung. Mein Mitgefühl
für die Maus ist echt, ein Ausdruck

probiotischer Verhältnisse. Täglich,
schreibe ich, denke ich daran,
etwas zu unternehmen, was ich tue,
löst sich im Milieu des Satzes.
Jede Ordnung frisst Energie.

24. August 2017 07:52










Sylvia Geist

Klärung

Mitnichten sei das Schwarz der letzten Gemälde
ein Vorbote, so seine Tochter. Ihr Haar ist direkter
Nachfahre der späten Palette, ein Strich so satt,
dass er bis nach Texas reicht. Wohin es mich zog,

seit ich zum ersten Mal aufbrach vor Tagesanbruch,
vierjährig, auf dem eisblauen Sitz in schlafrotem
Pullover und in Erwartung, nicht wissend wessen.
Eine Kordel hielt die Nacht im Fenster des Fiat

und die Strähnen vom Anfang zusammen. Ich floss
ein in den Asphalt und die Wand, den Wald, Amseln
zeichneten sich ab im Gedächtnis und dunkelten nach
auf den Masten in Texas, das ein Land aus steinaltem

Tannenhonig war, eine Leinwand, die das Schwarz
aus den morgentraurigen, formlosen Dingen sog,
es schluckte wie geschmolzenen Zucker, einer Kapelle
aus Amseln zum Futter, da wo die anfangen in Texas.

13. Februar 2017 13:07










Sylvia Geist

„working wood“

heute früh
wieder, da war es
schon beinahe hell: Holz
unter den Bedingungen der Bucht.
Ächzend, einsilbig, januarklar.

Ich suchte danach, in meiner Sprache,
doch es lässt sich nicht hören in ihrem Überfluss
an Silben. Arbeitendes Holz ist so hässlich
wie wirkendes schief.

Erst im flachen Schlaf knistert, was ich nicht mehr erlebte,
der große Petroleumkauf der Teppichweber von Kujan-Bulak
für die Trockenlegung des Sumpfs, dem das Fieber entschwirrte,
und die langwierigen Fragen der Leute unterm lodernden Dach
an Buddha, ob es wirklich brenne hier oder nicht doch woanders.

Während ich träume,
sie verloren geben zu können, anstatt sie verlieren zu müssen,
knarrt es vom Dachstuhl her von Versäumnissen (wieder
nicht, noch und noch
), lässt die Fensterläden versagen,
arbeitet an der Tür, gegen die ich gestern antrat,
dass sie nicht mehr schließt, während ich träume,
es ist besser als die biegsame Sprache im Traum,

redet es lange,
nachdem man es schlug,
den Zerfall des Hauses herbei.

30. Januar 2017 11:52










Sylvia Geist

Floralsatire

Hinterher fanden sie mich halb versunken neben einer
Parkbank, Dreck im Pelz und zwei rote Nelken in den Augen.

Der andere kannte mich nicht, aber morgen beweisen sie,
ich war Spielmann, Wolfsbändiger, bockböser Nachtschaden,

am Ende hungernder Eintänzer. Doch selbst versetzt mit Alkohol
und Salz bin ich ein Brutkörper, voller Leben. Es hängt an mir.

Mädesüß sprießt es in den Hotspots der inneren Besichtigung,
blüht im Thorax auf, sprengt das Cranium, es wimmelt

wie von Sommerschnee in meiner aufgesägten Laube, wie früher,
als ich noch mit Löwenzahn eroberte. Eine Menge habe ich

auch mit Blumensträußen erreicht, die ich irgendwohin warf,
und Juli kam mit Rose, dann Iris, Jasmin, Erika usw.

Von meiner Art sind nicht mehr viele. Hundeplätze grassieren und
Inkasso. Und die Besserungsphrasen an kranken Betten, Nelken –

im Ernst, meine Jagd ist heut ein Comicstrip auf altmodischen Vasen,
denen sie die Mäuler mit Nelken stopfen. Für mich keine.

noch mal für Arne, nach dem Gedicht „Der Nelkenherr“ von Rautenberg

5. August 2016 10:47










Sylvia Geist

Von anderswo

In der Auslage der Kurzwarenhandlung hält
eine Prozession Elefanten, Schwarzwaldmädeln,
balinesischer Tänzerinnen. Almdudler umzingeln
die Delfter Windmühlen hinter den Mönchsbergen
der Schneekugeln. Nadeln, Garne, Borten fehlen,
statt Knöpfen sind Köpfe erhältlich, Sissis ganz
natürlich im Romylook, Mozarts auf zwei Tellern.

Hinter Swarowskis, Starbucks´, H&Ms Botschaften
ist das die Wechselstube, die dir den übrigen Schein
aus dem Gedächtnis in härtere Währung tauscht.
Der Kurs ist logisch, enttäuschend und repräsentativ:
Sissi erinnert an Paris, Mozart an eine Reise nach Prag
(auch an Hüftgold), alles ans Typische von sonstwo,
an das du überall kommst außer in einem Geschäft

mit Kurzwaren. Über der Menge, wie sie gestrandet
und vertrieben von den großen Handlungen, hängt
mit Blick auf die Pferdeschwemme ein Einhorn aus
einer violenten Saga – du nähmst es mit, um anderswo
daran zu denken, existierte der Laden noch. Anderswo
ist ein Putsch, eine Sage von Entfernung und Verlangen,
erzählt in der Transitzone (diesmal Salzburg, wirklich

mit Salzach und Burg und den abgesoffenen Gäulen
in den Brunnen), in einer bankrotten Filiale Arkadiens,
versteckt in den vernünftigen Arkaden, die Knöpfe
nicht verkauft, aber birgt, wenn im Näherbedarf
die erloschenen Schubkästen hinter dir wieder
aufgehen, in schöne fremde Münzen für die einen,
für die Konquistadoren in brüchiges Horn.

10. Juni 2016 18:26










Sylvia Geist

Nähen auf salzburgisch

10. Juni 2016 18:26










Sylvia Geist

Am Ameisenstrand

Die frischen Wohnhalme, die Arbeiterinnen,
die mit den unbezahlten Leben übern Trichterrand
der Siedlung rieseln, ihren kleinen grauen Löwen
Traurigkeit wecken: Alles klar wie die Skyline
hinter van Eycks Kathedralenwiese,

die bedachten Fronten, der Untergang
zwischen den Häusern. Erkennbar
hängt nichts zusammen unter der Sonne,
das nicht wäre wie ich oder du und anders
als unsere Hunde unberührbar, scharf.

Nie können wir das abzahlen, aber manchmal
trifft das Wehrlose das Wertvolle in der Leuchtschrift
über einer Kneipe, manchmal hält es wie Wörter.
Löwenmäulchen. Ameisenstrand. Manchmal
finden sich Attraktionen, Attribute wie klein, grau, arm

und -brust, Geisterdiät, diktiert von Mikroben,
Mirakel bis auf Millimeter, Mindestlohn. Streiche
klein und grau, wir finden uns am Rand und fallen
zusammen durch, bis dahin laufen wir, rieseln
berieselt von dem Monolog

unter uns oder darüber, und danken. Danken.
Kommen wir noch mal besser auf die Hunde.
Die laufen so mit als Scharren, Knarren,
die suchen und finden die Klinke, die Tür
wirft den Schatten, den wir wollen.

8. April 2016 20:30










Sylvia Geist

Fotobeweis

20. November 2015 11:22