Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (206)

26. Mai 2016, ein Donnerstag

Es ist 4:48 Uhr, soeben bin ich erwacht und schreibe schnell, bevor alles weg ist. Eben noch, im Traum, befand ich mich in einem Hafengebiet in einer großen Feiergesellschaft und habe, wodurch auch immer, auf einem anderen Kontinent eine Langstreckenrakete gezündet, die nunmehr auf dem Weg zu mir, zu meinem Kontinent, war, um uns alle zu vernichten.

Es war im gleichen Traumgeschehen, dass ich am frühen Morgen auf urbaner Straße ging und zwei Frauen sah, die kichernd nebeneinander flanierten und sich das wunde Geschlecht hielten. Auch erzählten sie sich von gerade soeben erlebten sexuellen Abenteuern. Die eine hatte, glaubte ich, einen Dreier gehabt, die andere sprach kichernd ausschließlich von „Eduard“ (niemand dieses Namens ist mir bekannt).

Wahrscheinlich danach begann die Traumsequenz mit der Bombe, deren Eintreffen ich zunehmend bange entgegensah. Ich hielt es kaum aus. Ich hätte gern geschlafen in diesem Traum, fragte mich aber unablässig, ob diese Rakete nun stur das Ziel ansteuere, dessen Koordinaten ihm im Augenblick der Zündung angegeben worden seien, oder ob sie intelligent genug sei, dem beweglichen Ziel – also mir – zu folgen und mithin meine Flucht sinnlos sei. Irgendwann habe ich mich von einer nicht erinnerlichen Person gelöst, mit dem Ziel – die Intelligenz der Rakete vorausgesetzt – diese Person zu retten, womöglich aber auch – die Nicht-Intelligenz der Rakete einrechnend – diese Person der Rakete auszuliefern und mich zu retten … mulmig wurde es mir in beiden Fällen, und ich stak im Dilemma, ohne lange abwägen zu können, denn das Eintreffen der Rakete stand nun unmittelbar bevor, und so lief ich halbentschieden, um nur irgendeine Irritation in diese verfahrene Situation zu bringen, zielstrebig in die Hafengegend (die mich von ungefähr an Kiel erinnert). Dort sah ich über dem Meer ein sehr tief fliegendes Flugzeug stürzen. Ich begriff es als Vorboten der Rakete. Dann … gleichsam im Aufwachen … folgte ein Happy End, in dem die Entschärfung der Rakete gemeldet wurde, obwohl mir die genauen Umstände und Erklärung der Entschärfung nicht erinnerlich ist.

Genau erinnerlich aber ist mir der Aufwachgedanke, dass dies alles ein Reflex sei auf meinen gestrigen Besuch in Megs Tanz-Performance, in ihrem Revier. Und auch fiel mir ein bestimmter Zeitpunkt im Verlauf des Stücks ein, als alle Gäste den Ort wechseln und vom Rang ins Parkett gehen sollten. Da wachte an einer Saaltür, durch die ich zu gehen hatte, die mir bekannte Aktrice Amy, die mir menetekelnd-schnurrend ein „Take care“ zuraunte, das ich in jenem Moment gar nicht habe einordnen können bzw. eher dahin verstand, auf ihren Sohn Remo-Joe, der ja zufällig neben mir zu sitzen kam, aufzupassen. Nun aber, im Erwachen, schien mir sehr einleuchtend, dass sie mich warnte vor den Gefahren des Gastes im Revier des Wolfs.

26. Mai 2017 22:54