Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (208)

29. Mai 2016, ein Sonntag

Vor dem Fest …

Der seltsame Tag. Im Kopf schwirren Fetzen möglicher Grußworte (die Nebensächlichkeit der Dinge, die Wichtigkeit der Träume), verweht von Unlust, dem feirigen Abend Gewicht zuzumuten. Was ist anders als vor einem Jahr? Frau S., diese feine, feinsinnige Person, die ein sehr großes Liebeswesen ist. Mit Frau S. buk ich einen Nutella-Kuchen. Er misslang mal wieder gründlich. Er kommt als schwarzer Sarg auf den Tisch. Mein Ofen eignet sich besser für japanische Keramik.

Nach dem Fest …

Party im Standbad Weissensee. Die gestellte Musikanlage lieferte keine Musik, die Speisekarte versprach fast nur Speisen, die aus waren. Nach drei Bestellungen schrumpfte sie auf zwei Posten, einer davon war Salzgebäck. So ein Desaster sorgt für Stimmung. Als die Musik irgendwann doch noch lief, kam auch schon die Polizei gelaufen, aber ich hatte Sekt genug intus, die Mahnungen sehr verständig entgegenzunehmen und nach verbindlichem Abschied in den Wind zu schlagen. Im Rausch mit Feuer gezündelt und Sekt verschossen – ach, diese hochwichtigen Finales immer wieder. Dem Schulfreund, dem ich seit 30 Jahren schreibe und der nie zurückschriebt – auch der kam. Auch mein großer M. Auch die Schwester, der die Tränen rannen. Seliges Sprechen und Bekennen im Nachtnebel des Alkohols. Damals. Ja, damals. Danke für damals. Eine Bestattung zu Lebzeiten. Aber schöner als danach.

29. Mai 2017 08:34