Thorsten Krämer

Meine fünfte Büchnerpreisrede

ließ ich im ICE nach Berlin liegen. Ich frage mich, was aus ihr geworden ist. Zwei-, dreimal habe ich versucht, sie aus dem Gedächtnis noch einmal zu schreiben, aber schon nach wenigen Sätzen verlor ich immer den Faden. Wenn ich an sie denke, sehe ich nur einen Umriss, ich höre einen hohen Ton und meine, ein dezentes Zimtaroma zu riechen. Sobald ich versuche, eine dieser Sinneswahrnehmungen zu fokussieren, wird alles plötzlich noch vager, und ich spüre nur noch den Puls in meinem Hals schlagen. Mein Bruder meint, das sei ein Anzeichen für erhöhten Blutdruck, ich sollte mal besser zum Arzt gehen. Aber das Phänomen tritt ausschließlich auf, wenn ich an diese spezielle Rede denke, und so oft denke ich wirklich nicht an sie.

6. November 2022 10:11