Hans Thill

Crazy Horses (für Hanns Grössel) 9

wenn fern in heißer Nacht die Hengste schrein.

wir gingen also stundenlang unterm Mond
und hätten besser beieinander gelegen? Der Weg,
die heiße Naht, die Bäume hinter Stacheldraht,
geknüpft aus Wespen. Tannenhonig gegen
Zucker. In Baden-Baden landete Massu. Der
Adenauer war im Rhein ertrunken

À frémir à l’appel lointain des étalons.

10. September 2012 11:41










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (36)


2011/12/30 19:14:06-19:14:35 Im namenlosen Garten

… und der Übermut ihn in seiner Übung überrollte und verführte, Visitenkarten auszutauschen! Unbesonnenes Zukunftszüngeln! Voreiliger Gegenwartsbeschluss! Wohin verrannte sich der Kippelnde in sturztrunkenem Vorgriff!

Fort, fort, schnell hinaus in den namenlosen Garten, hingelegt und hochgeschaut in die Lichtreflexe verglühter Vorvergangenheiten und Visiten abgestattet einer Zeit, die keiner Lebenden gewärtig war und meditierte in sich selbst … !

9. September 2012 11:23










Mirko Bonné

Die Bienen von Fuhlsbüttel

Über Nacht, so scheint es, über Nacht
sind alle Blüten gekommen. Die Bienen
schwärmen aus, sie fliegen, beschwingt
vom ersten dünnen Aprillicht über den
silbernen Rollbahnen. Wissen Bienen,
dass die schöne Saumseligkeit eine
vorgetäuschte ist?
mmmmm mmmmmFlughafenbienen!
Erhöhte Schadstoffbelastung der Luft
lässt sie in ihren Kästen bleiben, Licht,
Duft weitgereister Flugbegleiterinnen,
den Margeriten in Kübeln zum Trotz.
Fliegen die Bienen, fliegen Maschinen.
Über Nacht, so scheint es, über Nacht.

8. September 2012 05:19










Hans Thill

Crazy Horses (für Hanns Grössel) 8

und manchmal kann ich mich beim Zittern fassen,

und mach mal die Wiese zu einem Zopf
für jedes Wetter. Wer mich zitiert, nimmt sich
gleich den Mund voll Erde. Das Gras wächst überall,
blond, ein Flachs, das Laub kaufst du bei
Lidl, um es im Herbst zu streuen

Et parfois je me prends, dans la nuit chaude et sombre,

7. September 2012 10:38










Nikolai Vogel

Spam:

Heutzutage gibt es für jeden das passende Mittel

6. September 2012 20:36










Hendrik Rost

St. Pauli


Seid froh, dass es Gott gibt,
sagt die Vierjährige,
weil der auf die verlorenen
Kinder aufpasst.

Im Frühjahr sehen wir einen Buchfink,
aus dem Nest gefallen.
Kindlicher Rebell, zerzaust,
mit Glubschaugen, die um Hilfe betteln.

Was wird daraus?, fragt die Kleine.
Wir gehen weiter.
Nach ein paar Schritten zupft sie an meiner Hand.
Ich weiß, sagt sie. Das wird ein großer Vogel.

6. September 2012 14:46










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (35)

Jetzt ist es so weit. Jetzt ist es dahingekommen, dass der Teilnehmer des Sesshin in dummem Jubelschweigen dankbar ergeben die Bereitschaft des namenlosen Mönchs zur Entgegennahme eines Geschenkes empfängt und sich überschwemmt in Freude. Freude über den positiven Bescheid seines Antrags, dem seitens des namenlosen Mönchs die Ankündigung eines beim Teilnehmer bald eintreffenden, wiewohl etwas verspäteten Neujahrsgrußes vorausging. Und nicht nur die Einwilligung ist es, die im Lauffeuer

nun durch die Blutbahnen zischelt, sondern eher noch der so günstig ergriffene Moment der Antragstellung, gleichsam ersprossen aus der Rede des namenlosen Mönchs – und der Teilnehmer mag sich daran künftig lediglich in An- und Abführungszeichen erinnern: Man muss, auch wenn man

im Konzentrationslager ist, die Schönheit des Sonnenstrahls auf dem Gewehrlauf genießen. Äußerst zweifelhaft, prekär und heikel klang das nun schon wiederholt bemühte Wort des Konzentrationslagers in den Ohren des Teilnehmers. Gern hätte er darauf hingewiesen, es hätte

einer Überspitzung des Beispiels nicht bedurft, und auch das Wort vom Blatt auf dem Boden, das mit jedem Luftzug sich verändere und dem Staunen des Betrachters neue Rätsel aufgebe, hätte ihm vollauf genügt. Doch klüglich – und im Inneren bestrebt, das intensive Üben am Mitgefühl nicht zu vernachlässigen, verstummte sein Bedarf an Debatte, und er freute sich so sehr an der Schönheit des Sonnenstrahls auf der Nase des namenlosen Mönchs, dass er ihm ein Geschenk anzutragen sich spontan entschloss.

4. September 2012 01:44










Hendrik Rost

Berechnung

Alles, was ich je wollte, war jemand,
der sagt, du kannst das. Du kannst
das Messer nehmen und seine kalte Schärfe.

Ich wollte die Streichhölzer einzeln anzünden,
die ganze Schachtel, eins, zwei, drei …
Du hast es mit Zahlen, auch das sollte jemand sagen.

Stattdessen war kaum zu unterscheiden,
ob ich mich schnitt oder ob ich blutete.
Was tat mehr weh, die Kruste abzuknibbeln

oder der Haut beim Vernarben zuzusehen?
Keiner sagte, du kannst viel aushalten.
Stattdessen: nicht so schlimm. Leben geht weiter.

30. August 2012 09:42










Hans Thill

Crazy Horses (für Hanns Grössel) 7

Die Höhle liegt verwuchert und verlassen,

einen Wolf zum Engel nieder. Das Höhlenmaß,
zehntausend Zeiten (übern Daumen), die
Wildfrauen nicht mitgerechnet.
Sie tragen ihren Zollstock im Täschchen,
bleiben zurück bei ihrem irdenen
Geschirr

Seules. L’antre est désert que la broussaille encombre ;

29. August 2012 09:35










Hans Thill

Crazy Horses (für Hanns Grössel) 6

Die Wiese blüht umsonst. Wir sind allein.

Das Gesetz der Wiese: sei Partisan, gehorche
nicht, stelle Gleichheit her. Die Weisheit der
Wiese heisst morgens blühen, abends einsam sein
(wenn die Tiere satt sind). Meine Arbeit war
der Schlaf. Ich kämpfte mit dem linken Finger

L’été fleurit en vain l’herbe. Nous la foulons

26. August 2012 17:37