Gerald Koll

miss mandy in urnäsch

miss mandy saß heute in urnäscher bergen auf gebärenden schnecken und empfing gäste zum tee.

miss mandy in urnäsch

herr moll kam fast pünktlich, die verspätung der fernen kusine verstimmte.

4. August 2011 20:38










Mirko Bonné

Darg

Du sitzt im Bett und liest
in lautem Französisch vor,
was Ferdinand Hodler 1888
am Ufer des Genfer Sees malte.

Im Radio singen Tote vom Leben
in Amherst, am Connecticut River,
dann meldet eine Radiosprecherin
das mitternächtliche Hochwasser.

Ich schlage die Dardanellen nach
– und finde die niederdeutsche
Entsprechung für Moorgrund,
die torfartige Schicht Darg.

*

3. August 2011 20:23










Gerald Koll

Urnäscher Nass

wie das regnet in urnäsch!
betäubt sind aikidoka und kühe,
nasser als wiesen,
kein läuten, kein klongeln aus almen
nur regen und regen ringsherum,
in den anzügen, eingelegt in schweißmolke,
die nicht lüftet, nicht trocknet
bis zum nächsten und nächsten
training im klitschigen urnäsch.

3. August 2011 13:53










Mirko Bonné

Meditation am Kalksee

Meinetwegen: Wir träumen.
Nur wenn ich mir vorstelle,
die begriffsstutzigen Fische
tief dort unten im Wasser.

Ein französischer Denker
kannte sie schon 1637, unter
Papst Urban VIII., und mehr noch.
Er zählte sie. Und sie schwammen.

Weder gab es elektrisches Licht
noch künstlichen Schnee. Nach ihm
gibt es nur Illusionen, sonst nichts,
nicht einmal Brot, wozu auch.

Keiner hat wirklich Hände,
trägt eine Brille oder liebt es,
mit einer Frau, im Sommerkleid,
durch den leeren Raum zu gehen.

*

2. August 2011 18:38










Gerald Koll

meditation in urnäsch

sitzt du da, morgens, halbacht, auf den matten
meditieren wir. wir meditieren, meditieren wollen wir
aber innen wachsen bilder, die sich türmen,
kaum dass du die augen schließt.

Ists ein turm ists eine mauer ists gestein
und du sitzt mit geschlossenen augen
und bildet sich bruchstein und formen sich türme
und du sitzt und es türmen sich steine

und du schwitzt und du weißt nicht wieso
und wirst kalt und die hitze stiebt auswärts
und wirst turm mit kaltem gemäuer
wirst stein mit geschlossenen läden

und du sitzt und du sitzt und du wartest
dass der schweiß trocknet und blättert und
den körper bloßlegt und die wärme wieder
eindringt und den stein erweichen lässt.

2. August 2011 13:37










Mirko Bonné

Ein Sommersonntag

1972, im Freibad Marzoll,
Bad Reichenhall. Ich stand,
ein siebenjähriges Hemd,
hoch oben im Föhnwind
auf der Messerklinge des
Siebeneinhalbmetterbretts
und blickte über die Grenze,
bis Großgmain in Österreich.

„Spring!“, riefen mein Bruder
und Onkel Walter. „Spring!“,
rief die ganze hellblaue Welt
weit unten, wo alles gut war.

Bloß ein sonnenverbrannter
Alter mit faltigem Brustkorb,
weißem Spinnennetzbart
und Mütze auf der Glatze
rief mir zu: „Spring nicht!
Bleib oben! Was willst du
denn hier unten?“ Danke,
lieber Günter Eich, danke.

*

2. August 2011 09:47










Gerald Koll

Aus Urnäsch

Jetzt eben, zu dieser Minute, während der Mittagspause einer sportiven Woche im Appenzeller Land, steht die These auf dem Prüfstand, dass das Denken der Wahrnehmung im Wege steht, denn die Herren Aikidoka spielen Schach.

Und Ueshiba, der kleine Gründer dieses Sports, hielt einstmals einhändig einen Stock waagerecht vor seinen Körper. Seitlich stemmten sich Männer dagegen (wie Sklaven am Ruder), doch der Stock bewegte sich nicht einen Zoll. Wie auch sollte er sich bewegen, rief Ueshiba, ich habe doch einen Kreis um euch gebildet!

1. August 2011 15:30










Andreas H. Drescher

KILOWORT

Die Gegenwart selbst besucht Konrad Zuse,
den Erfinder des Computers, in seinem ganz privaten Jenseits.

Selbst eine junge Frau, findet sie ihn zunächst als älteren Mann vor, dem sein Leben zu so etwas wie einem nachlässig abgelesenen Vortrag geworden ist, dessen Seiten er während des Sprechens zur Herstellung von Lochkarten benutzt. Er scheint mit seiner Erfindung noch lange nicht abgeschlossen zu haben.
Doch bricht mitten aus der Zerstreutheit eben der aufgeschlossene junge Mann wieder aus ihm heraus, der Zuse zu Beginn der Arbeit am ersten Computer war. So begibt sich die Gegenwart mit ZWEI Zuses auf die Reise durch dieses Jenseits und betrachtet mit ihm nicht nur sein Leben, sondern auch die Entwicklungen, die er möglich gemacht hat.„.

22. Juli 2011 10:35










Mirko Bonné

Ruttopuisto

Aus einem verglasten Zimmer
sah sie hinunter auf Helsinki
und packte Taschen und Koffer –
wohin, wenn nicht weit weg.

Sie strich durch die kahle Stadt,
wartete auf dem Bahnsteig
und hörte die Züge kommen,
aber alle brausten vorbei.

So ging der Herbst dahin.
Sie schlief in einem Park
und beobachtete Schatten,
Schatten in den Pappeln.

Es mussten die Toten sein
der großen Pest von 1710.
Am Tag wärmten sie sich auf
an Buden und Karussells.

Nachts legten sie sich zu ihr.
Mädchen suchten Make-up
und stöberten in ihrem Gepäck,
ein toter Junge las ihre Hefte.

Irgendwann war der Winter da,
es schneite im Ruttopuisto.
Nur weg, sagte sie sich müde,
und so zog sie mit ihnen mit.

Eines Morgens endlich kam er,
der Zug ins eisweiße Land.
Sie fuhren, wild schlug ihr Herz,
– wenn nicht weit weg, wohin.

Für Jouni Inkala

*

18. Juli 2011 15:40










Sylvia Geist

Gallium

die höhlen
von gran sasso erfahren nicht viel übers licht.
anderes erfüllt sie. restchen. nichtlicht am gedachten docht das
mmmmglück das keiner hält als stille raserei von partikeln
und glatter durchschuss:

voll davon
jetzt und jetzt verlassen – passage und passé. aber
in den tanks des massivs schwappt eine lösung die
mmmmdas fangen soll. wovon es unendlich viel gibt. nicht
licht. einmal erwärmt

würde es
in den tanks übrigens himmelblau. doch nicht mehr
wie zuvor. die sonne ist noch an der arbeit.
mmmmmehr erfährt man im berg nicht. daher das bittere.
daraus der name.

15. Juli 2011 01:15