Markus Stegmann

Ajdabiyah

sind wir dran zwei
hinter vorgehaltener hinter
brennenden augen
zerstörter radar als ich
den schleier legte
treten vier ins gegenlicht
verhängte gewehre
verkreuzte zeitungsgesichter
drei reihen nieder zum gebet
panzerfäuste in reihe
münden ein betender kopf
vorn sein karton hinten das
gebundene kind
koffer über koffer decken
drehen drei flieger
abwärts

27. März 2011 22:09










Thorsten Krämer

Abschied vom Holodeck

3. Universal Serial Blood

Was sich dieser Tage alles Mensch nennt: eine Schwundstufe
nur, dies Pflanzenfresser-Leben. Sie messen ihren Ruhepuls
und haben nur den einen. Ein kabellos vernetztes Trauerspiel
mit doppeltem doppeltem Boden.
                                                             Wir aber sind
die wahren Datenträger: wir geben, was wir nehmen; in uns
pulsiert die Information. Was uns vereint, ist Hunger.

27. März 2011 15:51










Mirko Bonné

Highwayman

I was a highwayman. Along the coach roads I did ride
With sword and pistol by my side
Many a young maid lost her baubles to my trade
Many a soldier shed his lifeblood on my blade
The bastards hung me in the spring of twenty-five
But I am still alive.

I was a sailor. I was born upon the tide
And with the sea I did abide.
I sailed a schooner round the Horn to Mexico
I went aloft and furled the mainsail in a blow
And when the yards broke off they said that I got killed
But I am living still.

I was a dam builder across the river deep and wide
Where steel and water did collide
A place called Boulder on the wild Colorado
I slipped and fell into the wet concrete below
They buried me in that great tomb that knows no sound
But I am still around … I’ll always be around … and around and around and around and around

I fly a starship across the universe divide
And when I reach the other side
I’ll find a place to rest my spirit if I can
Perhaps I may become a highwayman again
Or I may simply be a single drop of rain
But I will remain
And I’ll be back again, and again and again and again and again

Jimmy Webb, 1977

*

httpv://www.youtube.com/watch?v=uw1bHaUk1CM

The Highwaymen
Willie Nelson, Kris Kristofferson, Waylon Jennings, Johnny Cash, 1990
Schöne Versionen gibt es auch vom Songschreiber Jimmy Webb gemeinsam mit Prefab Sprout-Sänger Paddy McAloon sowie seit kurzem von der Düstergitarrenband Arbouretum aus Baltimore.

*

26. März 2011 11:12










Sylvia Geist

Limette, backstage

Ich wusste, du hast sie.
Grüne Zellen, Kapselwasser, Geschmack
entgegen der Zunge, die auf Süßes sinnt.
Nennen wir sie so oder wenn wir sie teilen
Limes, du wirst sehen, das Ganze
ist einfach.

Dich hat man von einem Trapez gepflückt,
mich, glaube ich, aus einem Einkaufskorb
im Winter, jetzt danken wir dem Zufall,
an einer menschenfreundlichen Variante
seines Spaziergangs mitzuwirken.
Wir brauchen unsere Feinde nicht

zu lieben, wir sind Teilchen
der Komparserie, die vorüberzieht, während
Moses noch Horesmores erzählt wird,
und singen Weitergehen, hier gibt es nichts
zu sehen
, den Slogan des Mysteriums.
Nimm nur diese Hälfte: sieht das nicht aus

wie ein sehr kleiner Stern,
dieses bitterliche Strahlen um eine Mitte?
Als hätten wir es besser machen können.
Den Mund geheftet unter Vitamin,
stärken wir uns, wenn es sein muss,
im Gehen, alle seine Gaben sind gut

und verderblich. Das Spiel geht weiter,
man schreibt, glaube ich, den Vorhang
Hundertvierundvierzigtausend in Worten, es ist
Montag, und wir müssen wieder los,
loben im Chor, brennen in Schichten,
das ist der Lohn.

21. März 2011 15:50










Kerstin Preiwuß

camera silens

ich habe gedeutet dem könig
bedeutet es nichts der gerüchteküche
bedeutet es alles sie meint
er hängt an seinem glück
er zieht am mond mit einer strippe
schwört er den untergang herauf,
sie hat mich ermahnt
du sollst nicht schwarzäugig unken
in dieser finsternis, ägyptisch
echoen die grillen, früher zikaden
immer an der wand lang
immer an der wand entlang

21. März 2011 14:52










Markus Stegmann

staub auf mich (für liu xiaobo)

du wartest mit staub auf mich

atmet und verhängt das licht
zeigt mit balken den klaren
morgen einsam brennende
lippen werfen kalk der
knochenschutz-mantel
misst mindestens zwei hand
vermittelte treppe der sie licht
der sie roh gestemmte
sprache genähte zunge
verlegen eine scheibe klemmt
niedergestochene augen
hellen sich lang für lunge
hinter vorhängen
vorgehaltener mund
vergessene wie totentrauben
getrocknete finger die vertreiben
vorverhängte luft und schreiben:

du wartest einmal staub auf mich

21. März 2011 00:11










liu xiaobo

Du wartest mit Staub auf mich

/

– für meine Frau, die Tag für Tag wartet

/

nichts bleibt dir übrig, nichts

als im Staub unseres Hauses auf mich zu warten

diese Schichten

angehäuft, wachsend, in jeder Ecke

jedes Licht würde ihre Stille stören

du wirst die Vorhänge nicht öffnen

/

Du wartest mit Staub auf mich

über dem Bücherbord, die handgeschriebene Aufschrift ist staubbedeckt

auf dem Teppich atmet das Muster Staub ein

wenn du einen Brief an mich schreibst

und es liebst dass der Stift ein Staubstift ist

sind meine Augen niedergestochen vor Schmerz

/

du sitzt dort den ganzen Tag

wagst nicht dich zu rühren

aus Angst den Staub in den Staub zu treten

du versuchst bewusst zu atmen

nutzt Stille um eine Geschichte zu schreiben.

In Zeiten wie diesen

zeigt sich nur

der erstickende Staub treu

/

deine Vorstellung, Atem und Metrum

dringen ein in den Staub

in der Tiefe deiner Seele

wird das Grab Zentimeter um Zentimeter

aufgeschüttet von den Füßen

bis zur Brust

bis zum Hals

/

du weißt dass das Grab

für dich der beste Rastplatz ist

um dort auf mich zu warten

angstfrei und ohne Gefahr

deshalb hast du lieber Staub

im Dunkeln, in gefasstem Ersticken

und wartest, wartest auf mich

du wartest mit Staub auf mich

/

abgeschirmt von Sonnenlicht und Luftzug

lass den Staub dich nur völlig begraben

überlass dich nur dem Schlaf im Staub

bis ich wieder da bin

und du aufgeweckt kommst

dir den Staub von der Haut von der Seele zu wischen.

/

Was für ein Wunder – von den Toten zurück.

/

9. April 1999


Übersetzung: Sünje Lewejohann, Björn Kiehne, Hendrik Rost, Sylvia Geist, Thorsten Krämer, Kerstin Preiwuß, Mirko Bonné und Hans Thill;  Vita und Links: Carsten Zimmermann; Bildschirmaufnahmen genommen von einer Produktion der Journeyman Pictures.

20. März 2011 22:02










liu xiaobo

*

bis ich wieder da bin

und du aufgeweckt kommst

dir den Staub von der Haut von der Seele zu wischen.

/

Was für ein Wunder – von den Toten zurück.

Übersetzung:  Hans Thill

20. März 2011 20:02










Sünje Lewejohann

vogelherz

deine sprache ist kurz, sie reicht
nicht einmal von den lippen bis zu den augen.

du kannst machen, was du willst
in der mitte bricht sie ab, zieht kreise.

es nützt auch nichts mehr, schnell
zu reden, etwas wie ein apfelkern bleibt

immer auf deiner zunge liegen.
du hast ein faltiges gesicht bekommen und raue hände,

das ist die zeit, die mit den flügeln schlägt dein
vogelherz fliegt letzte runden.

was fängt dein blick noch ein?
die raupen im baum, das kopfkissen, den traumfänger,

den fremden kitsch?
das letzte wort geht dir nicht über die lippen.

es passt noch in den kopf aber
nicht mehr in den mund.

du legst nur den finger auf deine wange,
spitzt die lippen.

20. März 2011 19:55










liu xiaobo

*

deshalb hast du lieber Staub

im Dunkeln, in gefasstem Ersticken

und wartest, wartest auf mich

du wartest mit Staub auf mich

/

abgeschirmt von Sonnenlicht und Luftzug

lass den Staub dich nur völlig begraben

überlass dich nur dem Schlaf im Staub

Übersetzung:  Mirko Bonné

20. März 2011 18:02