liu xiaobo
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nichts bleibt dir übrig, nichts
als im Staub unseres Hauses auf mich zu warten
diese Schichten
angehäuft, wachsend, in jeder Ecke
jedes Licht würde ihre Stille stören
du wirst die Vorhänge nicht öffnen
20. März 2011 00:02/ *
Liebe Leserinnen und Leser!
Zum „Jahrestag der Politischen Lüge“ am morgigen 20. März wird in diesem Jahr an den chinesischen Schriftsteller, Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo erinnert, der im Dezember 2009 als einer der Verfasser der „Charta 08“ zu elf Jahren Haft verurteilt wurde. Weltweit wird an zahlreichen Orten aus Protest gegen derartige Menschenrechtsverstöße seitens des chinesischen Machtapparats am morgigen Tag Liu Xiaobos seiner Frau Liu Xia gewidmetes Gedicht „You Wait for Me with Dust“ sowie die „Charta 08“ verlesen. Der Goldene Fisch hat aus diesem Grund Liu Xiaobo symbolisch in seine Mitte eingeladen. Acht Autoren haben Lius Gedicht ins Deutsche übertragen und werden morgen ihre Übersetzungen auf unserer Plattform posten, ferner werden wir Links zu chinesisch- und deutschsprachigen Fassungen der „Charta 08“ schalten.
Mirko Bonné
Andreas Louis Seyerlein
Mirko Bonné
Tschernobyl: Small Talk
Ich glaube, ich kann dir ein Geheimnis anvertrauen:
Mir wurde befohlen, mich in dich zu verlieben,
und ich bin heillos um meine Augen besorgt.
Bedenke zudem den Kollaps meiner eigenen
kleinen Welt. Ich würde dich ja küssen,
fürchte aber mich schmutzig zu machen.
Keiner hört mich. Ich lalle und meine Hände
sind immerfort in Bewegung, denn die
Liebe ist unsterblich und lebt weiter
in Träumen und Gesichten. Ein Fanatiker
ist fehl am Platz, erlaub mir aber Sehnsucht.
Komm rüber, die Äpfel im Obstgarten
meines Beschützers sind reif.
Irgendetwas an der Art wie du tanzt
sagt mir wieder, setz dich besser. Wir
sind schön, solange wir Masken tragen,
und Verrat ist ein Spiel voll Zartgefühl.
Wie ein Zirkus verberge ich Herzschmerz.
Bald machen mich meine Fehler berühmt.
Emma Lew
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19. März 2011 11:14Andreas H. Drescher
Siebenregenspiegel
Ein Regenspiegel Die
s
er Siebenregenspiegel
lässt
auf den Tisch gelegt —————————– nicht nach
bringt schließlich
je den Tisch zum ———————————– K i p p e n
Andreas Louis Seyerlein
~
5.57 – Die Stadt Prypjat an einem sonnigen Apriltag des Jahres 1986. Dunstige Haut lag über farbigen Bildern des Films, spielende Kinder vor Häuserblocks, ein Karussell, ein Riesenrad, flanierende Bürgerinnen und Bürger, Alltag, Frieden. Manche der Menschen trugen Taschen, andere hielten ihre Söhne und Töchter an der Hand, ein Dreirad glaubte ich gesehen zu haben, Bäume von hellem Grün, und den Himmel, wolkenlos. Aber da war noch etwas anderes gewesen, etwas Unheimliches, da waren Punkte, Kreise, helle Erscheinungen, in Bruchteilen rasender Zeit tauchten sie auf und waren sofort wieder verschwunden. So rasch und so unerwartet traten sie aus der Bewegung des Filmes hervor, dass ein menschlicher Betrachter nicht sicher sein konnte, ob die Erscheinung, die er gerade wahrgenommen hatte, tatsächlich zu sehen oder nicht ein Irrtum seines Gehirns gewesen war, helle Schirme, pelzig, weich. Dieses blitzende Licht, das ich vor einigen Jahren beobachtete, zeigte Verletzungen des bildtragenden Materials an, Verheerungen, die durch strahlende Teilchen des brennenden Graphitreaktors zu Tschernobyl verursacht wurden, Teilchenspurlicht, deshalb so unheimlich, so tragisch, weil dieses Licht in den Augen des Filmbetrachters von einer späteren Wirklichkeit aus wahrgenommen werden konnte, nicht aber von jenen Menschen, die sich in der Wirklichkeit der Aufnahme vor der Kamera bewegten durch einen lebensgefährlichen Tag, den sie für einen glücklichen Tag ihres Lebens gehalten haben mochten, weil niemand sie vor der unsichtbaren Bedrohung, die sich in der Atmosphäre befand, warnte. – Ich muss meine Erinnerung sofort überprüfen.
18. März 2011 21:18Mirko Bonné
Wenn du merkst, dass du auf einem toten Pferd reitest – steig ab.
Weisheit der Sioux
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15. März 2011 16:16