Andreas H. Drescher

Siebenregenspiegel

Ein Regenspiegel Die
s
er Siebenregenspiegel

lässt
auf den Tisch gelegt —————————– nicht nach

bringt schließlich
je den Tisch zum ———————————– K i p p e n

19. März 2011 01:05










Andreas Louis Seyerlein

~

5.57 – Die Stadt Prypjat an einem sonnigen Apriltag des Jahres 1986. Dunstige Haut lag über farbigen Bildern des Films, spielende Kinder vor Häuserblocks, ein Karussell, ein Riesenrad, flanierende Bürgerinnen und Bürger, Alltag, Frieden. Manche der Menschen trugen Taschen, andere hielten ihre Söhne und Töchter an der Hand, ein Dreirad glaubte ich gesehen zu haben, Bäume von hellem Grün, und den Himmel, wolkenlos. Aber da war noch etwas anderes gewesen, etwas Unheimliches, da waren Punkte, Kreise, helle Erscheinungen, in Bruchteilen rasender Zeit tauchten sie auf und waren sofort wieder verschwunden. So rasch und so unerwartet traten sie aus der Bewegung des Filmes hervor, dass ein menschlicher Betrachter nicht sicher sein konnte, ob die Erscheinung, die er gerade wahrgenommen hatte, tatsächlich zu sehen oder nicht ein Irrtum seines Gehirns gewesen war, helle Schirme, pelzig, weich. Dieses blitzende Licht, das ich vor einigen Jahren beobachtete, zeigte Verletzungen des bildtragenden Materials an, Verheerungen, die durch strahlende Teilchen des brennenden Graphitreaktors zu Tschernobyl verursacht wurden, Teilchenspurlicht, deshalb so unheimlich, so tragisch, weil dieses Licht in den Augen des Filmbetrachters von einer späteren Wirklichkeit aus wahrgenommen werden konnte, nicht aber von jenen Menschen, die sich in der Wirklichkeit der Aufnahme vor der Kamera bewegten durch einen lebensgefährlichen Tag, den sie für einen glücklichen Tag ihres Lebens gehalten haben mochten, weil niemand sie vor der unsichtbaren Bedrohung, die sich in der Atmosphäre befand, warnte. – Ich muss meine Erinnerung sofort überprüfen.

> particles

18. März 2011 21:18










Mirko Bonné

Wenn du merkst, dass du auf einem toten Pferd reitest – steig ab.
Weisheit der Sioux

*

15. März 2011 16:16










Nikolai Vogel

Abschalten.
13. März 2011 23:39










Sylvia Geist

Nachtausgabe

Quarantäne

Man geht einzeln, ahnt,
hier wird man grundlos atmen.
Flach, achtsam, ökonomischer
Modus. Nichts wird verlangt,
auch Sterben nicht. Das gibt es
wie die Feindseligkeit der
Temperatur und ihren Beleg,
das Fähnchen Warmluft
am Fenster zum Flur.

13. März 2011 15:29










Björn Kiehne

Küchenuniversum

Die letzte kalte Nacht – vielleicht.
Eisblumen,
Tisch und Stuhl,
Bananen,
Licht, das durchs Fenster fällt –
arktische Klänge aus dem Kühlschrank,
siedendes Wasser im Topf,
der Geruch von Reis und Pril.
In diesem Küchenuniversum
sitzt Du,
Du,
mit den Märzaugen,
dem Aprilgesicht,
dem Maileuchten auf der Stirn.

10. März 2011 12:04










Thorsten Krämer

Abschied vom Holodeck

2. In der roten

Ecke: homo vampirensis, mit erneuerbarem Kraftstoff
vollgetankt. Ein Archetyp der Nachhaltigkeit, die
Biomasse im Frack. Der Körper als Gedächtnis, die
Archäologie der Accessoires.
                                                    Ein Blick aus leeren
Augen sagt dir mehr als tausend DVDs: deine Angst
ist nur ein Irrweg, nicht der Motor der Entwicklung.

4. März 2011 22:17










Mirko Bonné

587

Mach leer mein Herz, von Dir –
Arterie in mir –
Fang an, und lass Dich weg –
Ist schließlich Tilgungstag –

Die See wogt dort wie hier –
Ein Meer – Ein Ziel –
Zieh Du Dich ab, im Spiel,
Und übrigbleibt von mir
Um’s wegzutun – nicht viel –
„Mir“ das hieß Dir –

Nimm Wuchs den Raum – kein Baum –
Dann – Dich – kein ich –
Der Himmel nackt –
Das endlos Weite schlaff, ein Sack –

Emily Dickinson

*

1. März 2011 14:38










Markus Stegmann

libya17feb_2011_02_28_22:13:53

w: heute warfen die flugzeuge bomben
4e: und wir sprangen aus dem haus
w: sie haben uns gewarnt
4e: mehr und mehr flugzeuge kamen
n: aslam alekom
4e: du weisst
w: aber unsere herzen starben
w: daher sassen wir auf dem platz
4e: wir sind zeugen
w: wir werden uns immer an diese tage erinnern
w: in allen details
4e: schwöre zu gott ich möchte mein leben nicht eintauschen mit niemandem auf der welt
b wurde gelöscht von ftp
ftp: schreib nicht wenn die übersetzung läuft
w: einzigartiges gefühl hier zu sein
4e: es gibt leute weit draussen die
w: jetzt
4e: was wir fühlen
w: ich bin einer von ihnen
e: ich auch
jo: wir können stolz sein
w: einen grossen gruss für diese drei seelen
fb: wunderschön ali danke für
ftp: danke 4e und w
v: vielen dank ali
w: sehr tiefer austausch
u: ich wurde nicht gelöscht

28. Februar 2011 22:23










Marjana Gaponenko

Der Kühnste

(Unter den Menschen)

Kehre, oh, kehre zurück,
zarter Jüngling im hölzernen Uhrwerk des Greises!
Sei was du bist, entsteige
dir selbst,
und ich weihe mein Leben
dem Schritt den zu tun
niemand vermag
und jeder doch tut.
Unaufhörlich.
Unsichtbar.

Man sagt, die Erde sei rund,
darum wohl beugt sie
den Menschen. Mag sein.
Doch schaue einmal
in mich, wie ich krieche
zwischen den Lanzen von Blitzen,
furchtlos, wissend um dich.
Schau und sei was du bist,
zarter Jüngling im hölzernen Uhrwerk des Greises.

28. Februar 2011 21:06