Mirko Bonné

288

Ich bin Niemand! Kenn ich dich?
Bist du auch – Niemand – so wie ich?
Dann sind wir schon ein Paar – nichts sagen!
Sonst machen sie’s bekannt – deswegen!

Wie trist – Jemand – zu sein!
So öffentlich – ganz wie ein Frosch –
Den Junilebtag – seinen Namen leiert –
Damit ein Sumpf ihn feiert!

Emily Dickinson

*

8. Februar 2011 13:32










Markus Stegmann

King Abdul Aziz Road

eine und eine sind vierzig
sind ein könig zuviel
gefangene im widerspruch
mäandern vierzig frauen
skandieren ohne extremisten
das land der könig versprach
eine gegend mehr
für worte und kinder

7. Februar 2011 01:09










Markus Stegmann

Al Galaa

aus dieser nacht nicht weniger als luft
der kinder verstrichene geschlafene
verfahrene platzteile vergangene
verlagerte ausgegrabene und am
morgen des morgens nach vierzehn tagen
erstandene knie mit gemeinsam
erkämpften kehlen
Kreuz und Koran gebeteten
steinen der verbundenen
überschriebenen stirnen in
folienzelten aus kaum mehr als
wollen und wissen niemand
reisst das mehr fort

7. Februar 2011 00:43










Markus Stegmann

Al Kasr Al Aini

raustragen
langsam absetzen ihn
mit anderen Gerannten die
folgen
Knoten an mehreren
Stellen
Verschmierte aus
Steinen schlagende
Verbundene
zurückkehren
am blinden Schleier
angefasste
angeschriebene Stirn

nur
einer

4. Februar 2011 12:18










Mirko Bonné

Luftmacumba

4

Ein Fink, ein sehr großer gelber, kam
am Mittag im 13. Stock an mein Fenster,
ein schönes Tier, wie ich es einmal erst
in einer Fernsehdoku über die Zerrüttung
Darwins angesichts von achtundzwanzig
Finkenarten verstreut auf achtundzwanzig
kleine Nachbarinseln sah. Er lugte herein
in meinen Turmausguck und hatte, wieso
weiß ich nicht, Emily Dickinsons Augen.
Schon flatterte er weiter, schwirrte noch
zu den Kronen der Akazien hinab als ein
gelber Zauberpfeil aus dem Gedächtnis
und verlosch. Eine Zeitlang stöberte ich
zerstreut im Netz, las, erste Luftschiffer
der Mongolfière waren ein Hahn, eine
Ente und ein Hammel, rätselte, ob sie
im Topf gelandet waren, und sah dabei
zwanghaft auf das Meer, zur Wäsche,
die in der Sonne die Türme beflaggte.
Ich rannte hinaus, hörte in Cantagalo
Hähne zur Macumba krähen und lief,
dass es war wie Luft durch eine Lunge.

Für Johannes Kretschmer

*

31. Januar 2011 22:34










Markus Stegmann

Al Tahrir

flanken sie
schneller sie fl
mun m
mohn sie
schl v
verfängt wurf ver
schl
gno losen leib
bricht bl
macht
mal macht
der wandlosen s flamm
dies verl
vorn
vorn von formlosen
knie kno
kl
f
treiben d
am
lehn
rückl kopf
sinkt erl
längs dein
bl

30. Januar 2011 01:45










Hendrik Rost

Ex negativo

Wenn mein Vater eine Meinung
vertritt, frage ich mich, was
soll das? Er bekommt ja nicht
einmal Geld dafür.

Mein Vater gehört zu den weißen
Jahrgängen. Den Krieg hat er
als Junge erlebt. Flucht
war ein Kinderspiel.

Mein Vater hat kein Parteibuch
mehr. Seine Firma sitzt jetzt
in Osteuropa. Zu Silvester
wünsche ich ihm viel Erfolg.

Ich meine damit: Bleib, Vater,
flüchtig, sag mir etwas, das ich
ablehnen kann, ich bin dein
Produkt. Du hast überlebt.

28. Januar 2011 09:58










Markus Stegmann

bulaq

augen in händen herzen in steinen die sie greifen konnten die kleineren kleinsten rücklings entbehrten brote als kastenwagen dazwischen rannten sie rasch und alle anderen schwanden am ende der autobahnen wie sie dort einbogen und wieder umrundeten den platz wo sie austraten schnellten abgedunkelte dem plötzlich gereinigten sprechen entgegen und warm wärmer erfüllte lungen drängten immer häufiger als atem die folge des tages war

27. Januar 2011 00:03










Markus Stegmann

hinaussah

mit um herum gewickeltem haar
zwei kilometer heran einen
wagen brote schob magern arme
die knie und warfen
um herum gewickeltes haar
als bandagierten leib als
nichts mehr hinaussah
kamen sie an

24. Januar 2011 23:54










Mirko Bonné

Luftmacumba

3

Auch von Blattschneiderameisen träumte ich,
aber kein Mandelbaumblatt, sondern ein Auge,
ein zerlegtes Vogelauge schleppte der Staat
über den Uferweg zu einem Nachtparkplatz
an der Lagune – Augenschneiderameisen.
„Fogo!“, rief es von Fenster zu Fenster, da
Botafogo spielte gegen Flamengo oder
Fluminense. Um mich herum, hin und
her wälzte ich mich im Schlaf, bis ich
zerstoßen, zerstückt morgens aufstand,
eine halbe Papaya verschlang und hinab
mit dem Lift in den sonnendurchfluteten
Tag rannte bis zum Strand am Atlantik.
Dort sah ich über den hereinrollenden
grünen Brechern, wie zwei Kormorane
zwischen Wellenreitern umherstoben,
gleichauf mit Wellen und mit Reitern
blickten sie immerfort ins Wasser, bis
es sie hinunterstürzte, sie eintauchten
und im Meer verschwanden, um schon,
war die Woge vorüber, emporzuschießen,
den Fisch im Bauch und die Freude fühlbar.

*

24. Januar 2011 20:43