Andreas H. Drescher

Fundsache Vogelsang

[DINA4] Wir glauben, dass Gott all=
mächdig ist also, das er alles kann.
Er (konn) [Punkt] kann und will uns
all (desitzen) beschutzen. Aber nur,
dann wenn wir auch es zullassen. []
denn er (res) die Freiheit in (Entsei)
(Entschei) [ze ausgestrichen] Ent=
scheidungen und im Handlen, die er
uns geschenkt hat sehr respektiert.
Das (heist) heißt, das wir uns (imer)
immer [vielleicht Komma] wieder für
das Gute (d) oder für das Böse für
die Allmacht Gottes oder gegen sie,
(d) aber mit allen (Kon) (Konsek) []
Konsequemen entscheiden können.
Gott beschekt uns mit seinen Ge=
boten, die das Mit [DICK] einander
der Menschen regelen (ka) können.

16. Juni 2009 08:16










Markus Stegmann

Magere

Verfachte angestuft fährt
Holbein belangte Angst
belahmten Hand
lockerte Wasser drin einblindet
die lange totenhaft abgefilmt
flammt verfärbte
Macht angegiebelte vogellose
Hals am Schnitt sie
Gras drin eingebücktes
Gelände Fracht solare
Segel solche Papier
magere Krume

12. Juni 2009 23:37










Andreas Louis Seyerlein

~

22.05 – Da war ein Tisch. Auf diesem Tisch lag ein menschlicher Körper. In nächster Nähe lehnte eine hochgewachsene junge Frau mit dem Rücken an einer Wand, Augen geschlossen, als wäre sie eingeschlafen. Ihre Hände betasteten einen Kehlkopf, das heißt, genauer betrachtet hüpften ihre Finger über den kleinen hellbraunen Körper hin, als wären sie Lebewesen für sich. Wenig später war die Frau wach geworden. Sie legte die filigrane Struktur auf den Tisch zurück, zog ihre Handschuhe aus und sagte: Aber natürlich darfst Du das wissen. Ich habe nachgedacht und geträumt zur gleichen Zeit. Rasch machte sie mit einer Hand eine Schale, hob den Kehlkopf mit der anderen Hand vom Tisch und legte ihn in die Handschale ab: Ein Larynx! Grandios, nicht wahr! Was ich mit meinen Fingern angeschaut habe, geht nie wieder fort! – Taubengrauer Himmel. Leichter Regen. Sturm von Südwest.

> particles

12. Juni 2009 22:20










Sylvia Geist

Ein, zwei Bemerkungen über die vielen Möglichkeiten, „Willkommen“ zu sagen

Um das hier habe ich mich gerissen. Unbedingt wollte ich das Vergnügen haben, Christoph W. Bauer im Goldenen Fisch willkommen zu heißen – obgleich der Geistesblitz, ihn hierher einzuladen, gar nicht von mir stammt, sondern von Mirko.
Ja, ich habe mich regelrecht vorgedrängelt, und jetzt, da es ernst wird mit der Begrüßung, stehe ich vor einem Problem. Denn wie stelle ich das nun am besten an, bei so jemandem?
Ich könnte aus einer Laudatio auf ihn zitieren: „Bauer gehört zu den Autoren, die rar sind im Lande. Er ist voller Skrupel, behelligt Menschen nicht aufdringlich mit seinen Texten.“ Und: „Diese Gedichte sind Christoph W. Bauer.“ (Anton Thuswaldner)
Ich könnte Christophs produktive Vielseitigkeit erwähnen, seine Romane, Herausgaben, Lyrik. Ich könnte über die Freude schreiben, die seine Gedichte in mir auslösen, über den Rausch beim Inhalieren der glänzenden, rasanten Wortschöpfungen, der lebendigen, hochkomplexen und dabei ganz kristallinen Syntax, über das erstaunliche Vermögen auch, Fremdwörter zu fremden Worten zu machen, zu verführerischen, coolen Sirenen, und über das, noch erstaunlicher: dermaßen leichtfüßig das „land in unsichtbaren atlanten“ abschreitende Wissen, das diese Gedichte mit dem Leser teilen wie gute Gastgeber, freigebig und so selbstverständlich, dass man sich fühlt wie zuhause.
Ich könnte erzählen, wie ich ihn, nachdem wir vor Jahren schon im Rahmen des schönen, von ihm initiierten Zeitschriftenprojekts „Wagnis“ Schriftkontakt hatten, erst kürzlich kennengelernt habe, als herrlich unkonventionellen Denkspieler und Gedicht-Gesprächspartner.
Und ich könnte – endlich! – ihn zu Wort kommen lassen, mit einem Auszug aus seinem Gedicht aus 70 Gedichten „supersonic“, aus dem Abschnitt „aprikosen“:

XVI

läufst die glieder gegossen zu klöppeln
im stirnrad der pflichten
aus dem dickicht
aufgefächerter gebärden

denen du die tage bezwingst stadtein
übern markt dir selbst feil
geboten und taub
für offerte längst wieder

verkauft zwischen geflechten voll licht
aus den sekunden gepflückt
von gesängen über
mütigen schüben ganz

plötzlich
die saftigen lieder in aprikosen
fabulierender kindersommer im mund

*

Lieber Christoph, gemeinsam mit Mirko und allen im Goldenen Fisch freue ich mich über Deine Ankunft hier.

9. Juni 2009 14:07










Thorsten Krämer

Memphis

Hallo Parallelfahrt, hallo Plansequenz: die filmischen
Mittel schweigen still, genau wie die Kanonen: la guerre
est finie
, der Trümmerchic ist nur ein Zwischenstadium.

Wo Hoffnung ist, ist Leben; wo Leben ist, geht es
vorbei: Sieh hier den Straßenzug, den Schatten, den der
Müllkorb wirft – ist das nicht Wirkungsmacht der Immanenz?

Sei das Unkraut, sei Graffiti, überwuchere und überzieh.
Sei das, was Rest wird; sei der Anfang, der schon angefangen hat.

8. Juni 2009 16:50










Markus Stegmann

blasses Dynamit daran

Meterkante Belang vorflutete
betun Mangel Erden daran
solang der geringe Betrieb
blasses Dynamit verlangt
eines der wessen
verdingte ans Kind
gehängtes löste Papier
sodann verschwand
beholfene Bahn
Melanom der Düne
der trug eines lang
immer daran

7. Juni 2009 23:17










Carsten Zimmermann

wie seltsam

wie seltsam
diese stätte war:

boden aus sand,
und kiefern,

trockenrindig in den raum
gestellt (und wohl auch krank),

und zapfen lagen,
wie von langer hand verstreut,

und knackten hart,
wenn ich verlornen schrittes

auf sie trat

6. Juni 2009 09:30










Mirko Bonné

Liveübertragung

Am Morgen kroch wieder der Dunst über
die kaputten Wälder, die geraden Felder,
wo Rotwild herumstand, Wanderer durch
Zerstörung marschierten, Fasane fragten
nach dem Gewicht des Lichts. Espenlaub
im Nieselregen, das sauerländische Fach-
werk auf stumme Landschaft übertragen
oder umgekehrt, und Korrespondenten
Mauersegler, regennass im Lärmen der
Stille, durch die sich in lieblichem Blau
ein Laster (Frische kennt keine Grenzen)
zum Autobahnkreuz schob – alles sagte
Sieh hin, hast du im Kopf keine Augen,
genau so bist du, und du gehörst dir.

*

5. Juni 2009 22:48










Carsten Zimmermann

was sache ist

was-sache-ist

5. Juni 2009 16:46










Hendrik Rost

Tabu

Das Eis ist dünn, ich gehe weiter auf den See hinaus,
betrete das klare Wasser, unter mir Algen und Fische,
die sich nicht rühren. Ich gehe bis zu der Stelle,
wo das Mädchen aus meiner Klasse eingebrochen war,
wir haben sie später besucht, die Haut wächsern,
kalt sah sie aus, die Hände gefaltet, getrocknet.
Das Eis ist sehr dünn und es knirscht an der Stelle,
die am weitesten vom Ufer entfernt ist. Ich betrete
die Stelle und bin ihr ausgeliefert. Unten Fische.
Ich stehe auf so dünnem Eis, wie Traum im Schlaf
eine Hülle bildet, auf der sich Dinge abspielen.
Manchmal bricht etwas ein, und ich wache auf.
Ich weiß, die Toten sind nicht schlechter als andere,
sie wissen, wie es sich anfühlt, erinnert zu werden,
sie kennen die Kälte von innen und gehen im Winter
unter die Haut. Ich gehe auf dieser Schicht spazieren
und breche ein Verbot. Das ist mein Versprechen.
Wenn ich aufwache, werde ich klüger sein und wach.
Ich bringe Kälte ans Ufer mit. Ich erinnere mich.

5. Juni 2009 16:29