Tobias Schoofs

1665

it was about beginning of September that
I among the rest of my neighbours heard
in ordinary discourse that the plague was

returned in Holland again; for it had been
violent there in particular at Amsterdam
and Rotterdam in 1663; whither they say it

was brought: some said from Italy others
from the Levant among some goods which
were brought home by their Turkey fleet
others said it was brought from Candia

others from Cyrus; it mattered not
from whence it came; but all agreed
it was come into Holland again

(Daniel Defoe)

8. November 2020 16:14










Christian Lorenz Müller

SELBSTBILDNIS ALS WINDGOTT

Gelb gischtet das Laub
durch den Garten.
Der Windgott wirft
die Ahornsamen, Sturmsegler,
gen Westen, Brandung röhrt
zwischen unsere Beine,
wir waten tief im Lärm,
retten uns landeinwärts,
wo kein Lüftchen sich regt,
wo der Windgott
in Arbeitshosen, Gummistiefeln
noch nicht wütet.

Für Joe Amersdorfer

6. November 2020 09:54










Konstantin Ames

Neintuende Kaneinchen

Wenn die Blätter Gesicht zeigen

klaffende Gesichte wie Kläffer

darf ich das dann als Zenmoment

begreifen wie ein lange Weiliger den Schleifstein?

Nö.

Wir müssen her hinterm schwatzroten Kaneinchen?

Aio.

Gehörte dir je irgendwas anderes als

diese Kladde mit Berichten

kritzelnder Hälse, übereinstimmend

nur darin: eben nicht zu sein dein Hals?

Näh.

Willst du halbtot gestochener Token vom Ragout kosten?

(Kaneinchen nach altem Ockhamʼschen Rezept)

What a thrill

5. November 2020 11:58










Julia Trompeter

 

Vom Gebrauch eines Halms

 

Von langer Hand geplant der Mutter Erde dürr

seine Sprossen an der Wand zarte Fäden

duldsam ist kein gutes Wort hier nein

vor das Gesicht zu ziehen von Menschen

eine Krücke den ganz kleinen Käfern

ein Wedel ein Staub ein Krumen

seine Fäden den Spinnen ein Mast

und Trost im Herbst früher Abend

gesponnenes Gold der Marie

ein Sporn im großen Getriebe

das kann und das will das muss nicht

das ist nur ein Wunder ein kleines Gut

2. November 2020 14:41










Björn Kiehne

Das einsame Meer

Als wir schliefen
schlugen Wellen
über unsere Laken,
breitete sich das Watt
weit um uns aus,
suchte Wasser Wege
durch den Sand, Queller
erkundete neues Land.

Als wir schliefen
zogen Wildgänse
mit wildem Schrei
nach Norden,
streiften wir träumend
über die Salzwiesen,
bauten uns dort ein
Haus aus Gischt.

Als wir schliefen
entfernten sich
die letzten Inseln,
schwieg der Wind,
malten wir uns an
den Perlmutthimmel –
flüchtige Wolkenbilder
über das einsame Meer.

1. November 2020 16:28










Hans Thill

Wordsworth Colportage

Getting and spending, we lay waste our powers;—

Die Kraft der Armen auf der Straße liegt
und kostet nichts.

Der Platz heißt Willi, ein echter Feger.

Was redest du noch von Verschwendung
solange du mit Worten Sprache machst?

Du redest, du redest, das ist alles was du kannst

28. Oktober 2020 17:29










Konstantin Ames

27. Oktober 2020 11:08










Thorsten Krämer

Löcher

Ob Strümpfe, Schuhe oder Pantoffeln:
Am Ende gibt alles nach.

Im Vergleich zum Freiheitsdrang meiner großen Zehen
bin ich nur ermüdetes Material.

27. Oktober 2020 11:03










Christian Lorenz Müller

TIEFER HINAB IN DEN HERBST

Die Stalaktiten
des Wilden Weins. Das rote
Tropfen der Blätter.

Die Ahornsamen:
Hängende Fledermäuse.
Sie flattern im Wind.

Prähistorische
Pfeilspitzen, liegen massen-
haft die Bucheckern.

Tiefer hinab in
den Herbst. Die alten Bilder
leuchten an der Wand.

 

27. Oktober 2020 09:48










Andreas H. Drescher

Jarretts Chinook

Heute Nacht auf einem Keith Jarrett-Konzert, obwohl er, seiner beiden Schlaganfälle wegen, angeblich nicht mehr auftreten kann. Dies ist jedoch das Beste, das ich je von ihm gehört habe. Er hat Kontakt zu Strawinsky und Cage aufgenommen und Letzterer hat ihm geraten, einen Schlagzeug-Stick in die rechte Hand zu nehmen, die für die Klaviatur nicht mehr zu brauchen ist. So hat er, wie B.B. King, seine Schwäche zu seiner Stärke gemacht und seine Musik ist deutlich perkussiver geworden. Das gilt auch für sein Ensemble, dessen Musiker häufig mit einer Hand die Instrumente der anderen nutzen. Mein Freund Achim sitzt am Schlagzeug, der Ton-Bildhauer Bernd-Wegener spielt weitere Percussion-Instrumente einschließlich alter Chips-Tüten, Matthias Haus Vibraphon und Jörg Kaufmann Saxophon. Meine Aufgabe besteht darin, meinen Kopf mal hierhin, mal dorthin zu strecken und die Musiker durch mein begeistertes Gesicht zu immer neuen Höchstleistungen anzuspornen. Das erinnert mich an die Besuche meiner Ersten Liebe bei den Proben meiner Band „Chinook“ und ihrer Wirkung auf uns. So suche ich mein Spiegelbild auf dem Vorderdeckel des Flügels und sehe aus wie die Erzählerin „Tish“ aus Baldwins „Beale Street Blues“: klein, nicht besonders hübsch, doch mit einem offenbar sehr wirksamen Lächeln. (Das Leitmotiv von „Jarretts Chinook“, unmittelbar nach dem Aufwachen mit schlaf-steifen Fingern auf der Gitarre eingespielt und via Diktier-Gerät aufgenommen, wird von den Algorithmen der sozialen Medien als „sexueller Inhalt“ abgelehnt und gilt selbst dem Goldenen Fisch als „gefährlich“. Das rechne ich mir als Verdienst an.)

23. Oktober 2020 08:40