Mathias Jeschke

Phoenicurus ochruros

Der fidele Hausrotschwanz umgibt dich mit
Geknickse und Gewippe. Sein Gesicht unter
der schwarzen Haube meinst du schon lange
zu kennen. Es wirkt vertraut wie ein alter
Brief, den du im Leben nicht mehr vergisst.

Was sagen die Zeilen, die Zeichen, das Zittern?
Es riecht nach blühenden Linden, das Laken
der Nacht, es flattert wie eine knatternde
Flagge, ein Hoheitszeichen. Doch wo ist
das Land, wo der Boden, auf dem du stehst?

Welcher Verheißung fällst du anheim und wo
sind die Erlöse der Unruh? Du wanderst
im Garten umher und wirst von dem Vogel
umlagert, als wüsste er, dass es nicht gut wär,
dich in diesem Zustand alleine zu lassen.

Lange dachtest du nicht mehr an jenen Brief
Nun kniest du vor der knarrenden Truhe und
wühlst dich durch die vergessenen Schichten.
Da fällt dir ein Auge ins Auge und eine Brust
in die Hand, du fühlst einst verheißenes Land.

23. Juli 2014 19:38