Carsten Zimmermann

berliner pyramide

selbst wenn man vom rand,
von den feldern her kommt,
ist dies eine fortsetzung.
weite versiegelte flächen,
von breiten bürgersteigen
der blick in die tiefe hinein.
wenige passanten befinden
sich hier in der gegend
nächst einem gläsernen dreieck,
das steil aufragend ein hochhaus
durchschneidet, 100 meter, es soll
wohl rapide gewinne beschwören.
kein toter pharao ruht hier, den
göttern gleich, nur der kapitalismus,
die comer group international,
die in immobilien macht. wegen
beachtlichen leerstands ist zusätzlich
ein kulturzentrum untergebracht.
was tun vor so einem monstrum,
als fußgänger, wehrlos und still,
als sehen, wie alles dies scheitert
vor einem zeitlosen himmel

11. September 2012 08:22










Carsten Zimmermann

Seifenblasen-Sein

hauchfeine silbrige Echowände,
in die wir hineinschreien,
bis sie als jener kompakte Klumpen
erscheinen, der uns gewöhnlich
als Welt entnervt

19. Juni 2012 11:55










Carsten Zimmermann

kolumbus unterwegs

die große entdeckung, die atemberaubende
sekündliche, ist die entdeckung der welt:
ein diamant mit myriaden facetten, der nichts
als funkelt, während sich, nun und nun,
um ein winziges unsere perspektive verschiebt

was man leben nennt, alltag. mehr ist das,
als man verkraften kann, doch wir verkraften es.
alles, was wir dann noch hinzufügen, ist selbst
reiner glanz, den wir für dinge halten,
erlebnisse, wobei manches uns langweilt

was gleichfalls nicht zu fassen ist

2. November 2010 11:28










Carsten Zimmermann

das war so

während er sich aufmachte, gab es die erde. ja, er ließ die haustüre hinter sich zufallen, er ließ die haustüre hinter sich zufallen, er ließ die haustüre hinter sich, und währenddessen gab es die erde. das war so. das gab es. die ganze umgegend war vorhanden, es gab sie, er nahm es hin. es gab sie, und es gab war unbekannt. es gab ihn, und es gab war unbekannt, und er war unbekannt und und war unbekannt, und währenddessen gab es die erde. das war so. es gab die erde, und die erde war unbekannt. auch die haustüre, die er hinter sich zufallen ließ, war unbekannt. und zufallen lassen war ebenfalls unbekannt. und unbekannt war ebenfalls unbekannt. und ebenfalls war ebenfalls unbekannt. und er, der die haustüre hinter sich hatte zufallen lassen, betrat den bürgersteig, und währenddessen gab es die erde. das war so

2. August 2010 13:14










Carsten Zimmermann

Aus der Aphorismen-Kiste

Meinen ist Träumen.

26. März 2010 11:59










Carsten Zimmermann

über literatur

Erste Stimme: Ich wache auf und stehe auf und sehe nichts. Nichts! Pure Unsichtbarkeit von allem, Unkenntlichkeit, formlose Finsternis, dunkle Blendung.

Zweite Stimme: Sehen Sie an! Ich aber sehe jederzeit alles vollkommen klar bis in die feinsten filigransten Verästelungen hinein, völlige Klarheit aller Formen, grenzenlose Sichtbarkeit, grenzenloser Sturz in nichts als Transparenz! Ich sehe Sie in der selben Klarheit.

Erste Stimme: Rabenschwarz, Rabenschwarz jetzt, rabenschwarze Tür, durch die ich gehe in einen rabenschwarzen Gang, durch den ich gehe in Rabenschwarz hinein. Rabenschwarz, Sturzbäche von Rabenschwarz nach allen Seiten weg, Eruptionen von Dunkelheit in Dunkelheit hinein, ein Gestöber von Schwarz in Schwarz, Rabenschwarz.
Lassen Sie mich nachdenken: Träne im Knopfloch, Unterwasserauge. Niemand sieht den, der sieht. Ich wünsche mir nichts, überhaupt nichts. Mir kann alles gestohlen bleiben.
Blutschwarz, Bluthusten, Erbrechen von Gesangspartikeln. Lieber Herr Gesangsverein! Es ist doch so: Sie gehen auf die Straße, das Zischen der Forsythien in den Vorgärten, Zischeln, Tuscheln, dabei Brummen von Asphalt im Untergrund. Was soll man machen.

Dritte Stimme: Ich bin nicht geneigt, Ihnen weiter zuzuhören!

Vierte Stimme: Die Welt krankt an Achtlosigkeit. Davon bin ich völlig überzeugt. Alle sind achtlos, jeder ist mit irgend etwas anderem beschäftigt, völlig fixiert auf irgend etwas Beliebiges. Daher geht alles zugrunde.

Erste Stimme: Eng, eng ist es. Wie eng! Um Himmels willen! Eng ist es. Man kommt überhaupt nicht mehr heraus, fest hängt man, schreckliches Geflecht, Druck von allen Seiten, Quetschungen, Blutergüsse. Allmähliche Blaufärbung. Zwetschgenschnaps.

Vierte Stimme: Niemand sieht mehr hin, niemand hört mehr hin. Völlige Achtlosigkeit.

Erste Stimme: Ich gehe hier so lang, es ist Nacht, die Mondtrompete schmettert ihr Unterwasserlied, Echo von allen Seiten. Algenphantasie. Man könnte den Raum in feine blaue Scheibchen schneiden. Würde munden. Auch als Pupillenkosmetik geeignet, sanfte Applikation, natürliches Heilmittel.

Dritte Stimme: Schreiten wir also zur Grundsteinlegung.

21. März 2010 13:49










Carsten Zimmermann

vorfälle

i

etwas wie klarheit, wie aller-
feinste bläue, darin der anschein
einer gegenstandswelt

es gehe nämlich ein benennen vor
eine metaphernbildung, ein wiedererkennen
fast mühelos souverän

so sei die schreibtischlampe
fast mit links zu verstehn

ii

der typ auf dem stuhl
hält sich für mich selbst

iii

der blick aus dem fenster erweckte
den eindruck von ähnlichkeit. was
wie tauben aussah auf dem dach
gegenüber, schienen immer noch
tauben zu sein

4. Februar 2010 12:33










Carsten Zimmermann

kopfloses selbstporträt mit wasserglas

ksmw

15. Juli 2009 17:12










Carsten Zimmermann

nächtliche einflüsterung nach den spätnachrichten

wußtest du nicht:
was die fernseher senden,
existiert nicht.
es gibt keine fernseher.

wußtest du nicht:
die welt ist ein marketing-gag
der konzerne.
es gibt keine welt.
es gibt keine konzerne.

wo du hier bist,
ist nirgendwo.
es gibt kein nirgendwo.

22. Juni 2009 09:50










Carsten Zimmermann

wie seltsam

wie seltsam
diese stätte war:

boden aus sand,
und kiefern,

trockenrindig in den raum
gestellt (und wohl auch krank),

und zapfen lagen,
wie von langer hand verstreut,

und knackten hart,
wenn ich verlornen schrittes

auf sie trat

6. Juni 2009 09:30










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