Norbert Lange

Als ich Barbara Tax vor längerer Zeit bat, mir für eine Anthologie einen Essay über ihre Arbeitsweise als Dichterin zu schreiben, war ich sehr darauf gespannt, worüber sie in ihrem Text sprechen würde. Bislang hatte ich nur Gedichte von ihr gekannt, die in Zeitschriften wie Edit oder Ostragehege erschienen waren, später gab es dann welche in der Anthologie Freie Radikale von Christian Lux. Was mich neugierig gemacht hatte, war, dass sich ihre Gedichte mir in ihrer epigrammatischen Kürze entzogen. Sie erschienen mir auf die beste Weise verschlossen: greifbar, aber sobald man sie zu fassen glaubte, veränderten und entfernten sie sich, so dass ich einen neuen Versuch starten musste, sie zu verstehen.

Bekommen habe ich einen sehr schönen Essay, der von Apollinaire bis Zukofsky darüber nachdenkt, wie Gedichte unsere Aufmerksamkeit fesseln. Und jetzt, beim Wiederlesen, bin ich wieder froh, sie gefragt zu haben. Denn der Text ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie über Gedichte und das eigene Schreiben nachgedacht und geschrieben werden kann. Nämlich, indem man vordergründig nichts über das eigene Schreiben sagt, um stattdessen von der Lektüre zu sprechen, die einen beim Nachdenken über das Schreiben begleitet.

Und so folge ich Barbara Tax‘ Lektüre bis zu Horaz‘ Brief von der Dichtkunst, dem sie den Titel ihres Essays entlehnt hat (Ut pictura poesis erit) und glaube für einen Moment, ihr Gedicht Chamäleon zu verstehen. Ich stelle mir ein Lebewesen vor, so sehr Auge, dass alles andere nurmehr wie Vegetation erscheint. Und während ich noch davon lese, wie das Tier sich bewegt, werde ich in die Situation versetzt, mich perplex im Terrarium wiederzufinden, ein Auge auf einen Glashimmel gerichtet, das andere auf den Text.

Eben blickte ich in seine Pupille. Jetzt versuche ich, etwas schwerfällig im noch ungewohnten Körper, mich in meiner neu gewonnenen Differenz zurechtzufinden, greife mit stockender Bewegung langsam, langsam nach, nach einem, einem Ast.

Herzlich Willkommen, Barbara!

28. Februar 2019 12:43










Norbert Lange

minimals 2

measured

building

skill

structure

give way

committed

decked

reception chamber

25. November 2010 19:17











Norbert Lange

minimals 1

creature/cover

eager

shelter

did

reward

yew

plane-tree

holly

24. November 2010 02:04










Norbert Lange

LÖSUNG AUF DEM FLUSS KIANG

Ko-jin fährt westlich ab Ko-kaku-ro,
Die Rauch-Blüten verschmieren darüber den Fluss.
Sein Segelboot bekleckst den Himmel.
Und nun seh ich nur noch den Fluss,
Den tiefen Kiang, der den Himmel erreicht.

(nach Ezra Pound nach Rihaku)

1. September 2010 00:26










Norbert Lange

Lilien-Geschehen

(1) Die nach Lilien suchenden Mann & Frau.

(2) Alle um Lilien zu suchen losziehenden Leute.

(3) Beim Lilien-Suchen mitgeschleppter Matsch.

(4) Das den Matsch fortspülende Waschen der Lilien im Wasser.

(5) Das sich selber Waschen nach dem Schmutzigwerden mit Matsch.

(6) Lilien in einem Korb.

(7) Das „zu schauen wo’s ein trockenes Plätzchen gibt zum Sitzen“ den Lilien-Ort Verlassen.

Nach Jerome Rothenberg

25. August 2010 14:36










Norbert Lange

DIE STARE HJERTOYAS*

Haben wir im Stich gelassen, die Stare Hjertøyas;
die noch singen…, der Insel ihr Lied noch
kratzen…, zitieren der Luft ihr Alphabet
nach Schnabel gemalen und setzen Wolkenfragmente
von Wolken in Wolkenrahmen.

Aus diesem Leim zusammen fügen sie die Welt;
an ihren Notenfüssen im Obertonbereich
an Bäume gehängt, zerschneiden Luft
bestreuen den Kammerboden; in Klammer gesetzt
ans Fenster, bedecken mit Zeichen das Haus.

So singen sie, vermischt zu Nokiaklingeln, die Laute
darüber die Stimme düst, in ihnen gelöst
von der Kehle, keinen Schaum rasiert, den Kopf
hör zu: Dadada jetjetjetjetjetjetjetjetjet
Oooooooooooooooooooooooooooooo Bee bee bee
bee bee ………

*

*„In der Krone einer alten Kiefer am Strande von Wyk auf Föhr
hörte ich Schwitters jeden Morgen seine Lautsonate üben.
Er zischte, sauste, zirpte, flötete, gurrte, buchstabierte“, Hans Arp

22. Juli 2010 11:48










Norbert Lange

**

(natürlich in Daktylen)

Werde ich machen ein Gedicht aus reinem Nix wie sagt man?
Nicht über mich, auch von andren nicht. Von der einen Liebe, nein?
Vom Ältersein, oder etwas völlig Andrem?

Werde ich machen, auf Pferde wetten, weiss nicht, ein Gedicht?
Kann ich nicht einmal verstehen: wie zur Welt gekommen bin ich?

Weder machts froh, noch die Schnauze einem voll –
Bringt einen weder rein noch raus –
Kann ich nur machen dazwischen mit meiner Stimme –

So kam das gestern oben auf dem Sattel zu mir
Und ich habe nichts gemacht.

Ton ab

12. Juli 2010 21:57