Alexander Peer

November
Pasterze eislos

Pasterze: Gletscherblick ohne Gletscher

Zeit der Kongresse
der Festivals, der Messen,
der Abendroben
und der Diskurse.

In später Nacht
gehört, so
flammende Appelle!

All die heiße Luft,
die aufsteigt in den Städten,
ist nicht gut fürs Mikroklima.

 

 

 

21. November 2022 15:20










Alexander Peer

Parasitär

Ein Virus bietet eine umso größere
Projektionsfläche, je kleiner es ist.

Es ist vollkommen vom Wunsch
nach Symbiose beseelt.
Und sie gelingt.

Ein Gast,
der Gastfreundschaft
missbraucht.
Der Preis
wird rasch
in Rechnung gestellt.

Weil der Wirt für immer schließt
oder der Rauswerfer ruft:
„Ich habe fertig!“

 

20. Januar 2022 11:45










Alexander Peer

Ausweispflicht

Der Tote konnte sich nicht ausweisen
stand in der Zeitung
und sagte viel darüber aus,
was am Menschsein heute als wichtig gilt;
nicht einmal der Tod scheint
Rettung davor zu sein.

 

aus dem soeben in der Reihe Limbus Lyrik erschienenen Gedichtband
„Gin zu Ende, achtzehn Uhr“

10. Dezember 2021 11:41










Alexander Peer

Nur natürlich

Die Sonne schert sich einen
Dreck darum unterzugehen,
die Nacht bekommt einfach
den Arsch nicht hoch.

Weiße Nächte,
schwarze Gedanken.
Estonia, Estonia.

Der Duft reifer Erdbeeren
hetzt über das Land
und trampelt dir in die Nase.
Ringsum schweben die Flocken
durch salzgesättigte Luft
und rempeln dich an.

Weiße Nächte,
schwarze Stirn.
Estonia, Estonia.

Wuselige Seevögel rattern
durch Wolken,
sie scheißen erst später.

Der Mann vom Fischkutter
Saaremaa I
spie als Erster seine Erzählung
vom Leben auf hoher See.

18. Mai 2021 12:36










Alexander Peer

In der Mulde hockt ein Gedicht

Vormittags sind sie noch scheu.
Am Nachmittag rennen sie wie wild
bergauf, bergab.

Gestern ist mir ein prächtiges entwischt.
Aber es macht nichts.
Andere kommen zu mir.
Einige trauen sich einfach nicht näher.

Soll ich mich vor dem Schreiben rasieren?

16. März 2021 16:45










Alexander Peer

Lektorat

Während ich schreibe,
kommt mir dies:
Das Korrekturlesen jedes Lebens
können nur Kinder übernehmen.

Aber wer wird es mir verübeln,
dass ich ihnen diese Bürde
– die gewiss die Augen bluten lassen wird –
nicht auf die dürren Schultern packen möchte?

Dass es keine Aufgabe der Kinder sei,
ein solches Korrektiv zu sein.

Doch dann wird es sie
nie geben
und mein Leben vergeht
ganz unkorrigiert.

28. November 2017 13:52