Marjana Gaponenko

Annuschka VII

Man sieht dich, es bebt dein Leib auf der Brücke.
Man sagt: da ist sie, und schon stürzt du herab.
Ob als Träne du fielst, ob als Schatten,
ob du wirklich warst? Oh, du tanzt,
tanzt langsam im Wasser, Mädchen.
Silbe um Silbe wächst dein Tanz.
Er mundet dem Himmel.
Er mundet den Sternen.
Sie schneien und schneien
auf den Platz, wo du standst.
Dein klirrender Leib, war er weiß,
war er klar, war er da? Oh, Anna,
es wurde gerufen
ins Auge des Wassers hinein:
Schicke uns einen Traum!
Und du kamst übers Wasser
als Hauch.

1. Mai 2009 23:37










Hans Thill

Der Barbar von Vézelay

vezelay11

Liest Hinweisschilder als Befehle. Staedte waeren Brunnen, Doerfer haetten einen heiligen Schaedel. Entfernungen sind Kombinationen eines Geheimdienstalphabets

Er hat eine Ahnung. Er beruehrt keinen Pilz, keine Schraube, keinen Strassennagel

Legende der heiligen Eugenia. Der Basilisk und die Heuschrecke. Das Begräbnis des hl. Paulus

Er sieht die Baeume welken, die Steine zerbrochen unter den Flechten, er weiss nicht, was das fuer ein Zeichen ist und ob er es befolgen soll. Er sieht in der Kirche einen dicken Mann singen, neben ihm eine maechtige Frau im schwarzen Haengekleid, die ploetzlich ebenfalls zu singen beginnt

Er sieht ein, das Wissen hat die Voelker traege gemacht. Es hat ihnen die Hosen gekuerzt, die Schenkel wurden fetter. Er sieht die Wissenden den Berg hochrennen mit wippenden Rucksaecken. Er vergisst in einer ungeheuren Anstrengung alles, was ihm eingepraegt wurde und wischt sich mit einer herrischen Geste die Nase aus dem Gesicht

2. Mai 2009 12:00










Carsten Zimmermann

wissen was los ist

wir stehen wir stehen wir stehen morgens auf und wissen was los ist. wir werden wir werden wach wir heben die bettdecke wir heben die bettdecke an und wissen was los ist. wir werden wach wir strecken wir stecken uns und heben die bettdecke wir heben die bettdecke an und wissen was los ist. wir heben die bettdecke an und schwingen wir schwingen uns aus dem bett wir schwingen wir heben die bettdecke an und wissen was los ist. wir wissen was los ist. wir schwingen wir heben wir heben uns aus dem bett wir heben die bettdecke an und wissen was los ist. wir gehen wir schlurfen wir gehen ins bad wir gehen ins bad und wissen was los ist. wir wissen wir wissen wir wissen es einfach. wir wissen was los ist. wir gehen ins bad wir heben die bettdecke an wir schwingen wir werden wach wir strecken wir schwingen uns aus dem bett und wissen was los ist. wir wissen was los ist

4. Mai 2009 11:07










Mirko Bonné

Willkommen, Björn Kiehne!

Nacht an den Hafenbecken

Elektrische Kristalle,
verworfenes Licht,
Nacht an den Hafenbecken.

Schiffe liegen schweigend,
schwebende Schatten,
schwarze Löcher in den Nachtlaken.

Aus dem Asphalt strahlt Sonnenwärme,
der eingefangene Tag wird frei,
und unter meinen Schritten
birst der Kies.

Ein salziger Wind
trägt Geräusche heran,
die leise verhallen
zwischen den Stelzen der Kräne.

Mit diesem Gedicht habe ich im Sommer 2008 Björn Kiehne kennen gelernt, in einem Lyrikworkshop, der alljährlich vom Wilhelm Raabe-Zentrum in Braunschweig veranstaltet wird. Björn Kiehnes Gedichte erinnern mich in ihrem so respektlosen wie einfühlsamen Zugriff an den Ton und die Sujets des jungen Wolfgang Borchert, sie kommen aus dem Lied, führen ins Lied zurück und haben nicht selten den Wind, Geräusche, Töne und Klänge und Stimmen von Tieren und Menschen zum Thema. Dabei sind sie still, unaufdringlich, durchpulst von einer warmen verhaltenen Ironie, die um ihre Wehmut weiß.

Der Tag riecht nach nasser Erde
Eine Lerche steigt auf
Ihr Gesang zerreißt die Wolken

weit weg
irgendwo
beginnt es
zu regnen

Ich erinnere mich an eine Zeit, als es die größte denkbare Freude für mich war, zwei solche Strophen, sieben Zeilen, in ein Notizbuch zu bringen. Ich finde, wenn ich Björn Kiehnes Gedichte lese, eine Ahnung von dieser Wonne wieder, und es freut mich nicht zuletzt deshalb sehr, wenn ich nun gemeinsam mit Andreas Münzner, dem ich für sein Engagement danke, Björn Kiehne aufs herzlichste im Goldenen Fisch begrüßen kann.

*

5. Mai 2009 14:07










Hendrik Rost

Wellen


7. Mai 2009 11:22










Carsten Zimmermann

was strömt
was strömt
was
strömt

10. Mai 2009 12:26










Andreas Louis Seyerlein

~

0.01 – Eine Fotografie, die zeigt, wie ich kurz nach meiner Geburt ausgesehen habe. Ich war schon geputzt, aber noch immer zerfurcht vom langen Warten unter Wasser. Als ich mir vor wenigen Minuten diese erste Fotografie meines Lebens in Erinnerung rief, ist mir bewusst geworden, dass eines Tages einmal eine weitere Fotografie existieren wird, eine Fotografie, die die letzte Aufnahme gewesen sein wird meiner Person als einer lebenden Person. Auch ist mir bewusst geworden, dass das < Auf die Welt kommen > mit Entfaltung zu tun haben könnte und dass von Nathalie Sarraute gleichwohl eine erste Fotografie existiert haben musste in schwarzer und in weißer Farbe und vielleicht noch immer existiert. – M e i n  erster Schatten. – Ich wäre im Jahr meiner Geburt in Farbe bereits möglich gewesen.

sarraute

2.15 – Eines Tages im Jahre 1965, vielleicht an einem Samstag, vielleicht an einem Sonntag, ich konnte schon laufen und hatte gelernt, mir die Schuhe zu binden, nahm Roman Opalka den kleinsten seiner verfügbaren Pinsel in die rechte Hand und malte mit titanweißer Farbe das Zeichen 1 auf eine schwarz grundierte Leinwandfläche. Bevor er diese erste Ziffer malte, fotografierte er sich selbst. Er war gerade 34 Jahre alt geworden, und als er etwas später seine Arbeit unterbrach, – er hatte weitere Ziffern, nämlich eine 2 und eine 3 und eine 4 auf die Leinwand gesetzt -, fotografierte er sich erneut. Er war nun immer noch 34 Jahr alt, aber doch um Stunden, um Ziffern gealtert. Auch am nächsten und am übernächsten Tag, Woche um Woche, Jahr um Jahr wurde er älter, in dem er Ziffern malte, die an mathematischer Größe gewannen. Wenn eine Leinwand, ein Detail ( 196 x 135 cm ), zu einem Ende gekommen war in einer letzten Zeile unten rechts, setzte er fort auf einer weiteren Leinwand oben links, die nun eine Lichtspur heller geworden war, als die Grundierung des Bildes zuvor. Bald sprach er Zahl für Zahl lauthals in die Luft, um mit seiner Stimme auf einem Tonband die Spur seiner Zeichen zu dokumentieren. – In unserer Zeit, heute, ja, sagen wir HEUTE, oder nein, sagen, wir morgen, ja, sagen wir MORGEN, wird Roman Opalka mit weißer Farbe auf weißen Untergrund malen, Ziffern, die nur noch sichtbar sind durch die Erhebung des Materials auf der Oberfläche des Details. Der Betrachter, stelle ich mir vor, muss das Bild von der Seite her betrachten, um die Zeichen in ihren Schatten erkennen zu können. – Dienstag. stop. Ende der Durchsage. stop

> particles

12. Mai 2009 21:16










Björn Kiehne

Blau Grün Gelb

Wiesen Felder Wind
schwerblauer Himmel
Rapsleuchten am Horizont

Das Schüchterne Kind
streicht durch feuchtes Gras
tastet Schritt für Schritt die Welt aus

Der Tag riecht nach nasser Erde
Eine Lerche steigt auf
Ihr Gesang zerreißt die Wolken

weit weg
irgendwo
beginnt es
zu regnen

13. Mai 2009 07:27










Hans Thill

Der Barbar von Vézelay

vezelay11
Erinnert sich an eine Geschichte, in der eine fliegende Hand durchs Fenster kommt. Er ueberlegt, womit man so eine Hand fuettern koennte, doch daran erinnert er sich nicht

Er steht vor einem Haus, liest sein Fachwerk Balkenalphabet. Er befragt den Buchstaben e
denkt an den Reissnagel auf Perecs Schreibmaschine, er klappt das Buch zu wie Kublai Khan seinen Atlas

Der Sohn des Pharao wird von einem Racheengel getoetet. Moses und das goldene Kalb. Angreifende Elefanten

Er denkt an die verschiedenen Formen des Fallens, zaehlt sie auf. Aus der Autotuer, dem davonrollenden Pfirsich hinterher. Die Stufen eines Podiums hinauf, einen uebergrossen Blumenstrauss in den Haenden, im Begriff, eine Festrede zu halten. Kinder im Arm, alt und mit einem Kopftuch. Die Wolken fallen der Sonne entgegen. Graeber fallen den Himmel hinauf usw

Er liest, fuehrt ein Selbstgespraech korrigiert gesagte Dummheiten, schaemt sich fuer Vergangenes. Er denkt den Satz: Das geht mir nach. Tröstend die getunkte Magdalena aus einem eigenen Gedicht

13. Mai 2009 16:03










Thorsten Krämer

Almost at the Mississippi River, Dyersburg, Tennessee

Spurenlesen auf offenem Feld, die buschlose
Weite. Als Grenze gesetzt die Reihe
Bäume am Horizont. Der Fluss nur eine Behauptung.

Wireless vor allem anderen: die Fußabdrücke
der Natur. In der Ferne die Andeutung
einer Ferne. Alles andere wäre Spekulation.

You’re only as strong, sagt der Telefonmast,
wie Spatzen die nutzlose Keramik tragend.

13. Mai 2009 16:30










Mirko Bonné

Bus nach Ipanema

Jesus auf dem Corcovado
hat seine Dusche angestellt:
Es regnet warm, es rauscht
auf meinen Bus nach Ipanema.
Mit Armbanduhr ein Schellfisch
verkauft Billets vorm Drehkreuz.
Aus Zellophan äugt eine Orchidee.
Und eine Frau aus der Favela Méier
steigt aus, springt und schwimmt
über die Avenida Atlântica davon.
Fahr immer weiter. So rollt die See
die Hügel hinauf, horch die Gewalt,
da taucht ein Kolibri im Mangobaum.
In mir der goldene Piranha meines Bluts,
weil ich noch, bis nach Ipanema, lebe.

*

13. Mai 2009 22:29










Björn Kiehne

Es ist doch alles da

Der Duft von Kaffee,
Eisbärbrummen im Kühlschrank,
die Morgensonne.

BÄNKER HÄNGT AM BALKEN

Liebste, mach‘ die Balkontür auf,
lass den Morgen rein,
Margeriten in die Wohnung blüh’n.

FIEBERKURVE ERTRINKT IM ATLANTIK

Liebster, mach‘ das Radio an,
lass das Meer rein,
Wellenwirbel aus Jazz und Blues.

OPEL SEUFZT IN SCHROTTPRESSE

Komm zurück ins Bett,
mit Kaffeeduft im Haar –
es ist noch alles da!

15. Mai 2009 14:36










Björn Kiehne

Las Salinas

Schattenspiel auf deinen Lidern;
Wie du den Sommer einfängst –
deine Haut sandgolden.
Lass mich das Meer sein,
das an deine Strände brandet,
die eine Sonne, die nicht erlischt
und darüber hinaus:
Lass mich dein Meer sein –
die Schatten mit Wellenfingern
zerstreichen, deine Augen aufküssen
aus diesem endlichen Traum!

Und jetzt?

Lade ich den Winter ein,
die Sonne verspricht nichts mehr.
Es ist, flüstern die Wellen,
es ist, glitzert der Horizont –
der letzte Tag.
Das Meer zieht sich zurück,
die Badetücher eingerollt;
ich bitte den Winter,
mir Stürme zu schicken,
mir das Bett zu richten
in Dünen aus Schnee.

18. Mai 2009 22:50










Andreas Louis Seyerlein

~

2.15 – Vor dem Fenster knistern Kastanienbäume, vielleicht davon sind Violet und Daisy aufgewacht. Ein leises Geräusch zunächst, das schnurrende Geräusch einer Fußpedale, dann das Klappern einer Schreibmaschine im angenehm warmen Licht eines hölzernen Zimmers lange vor meiner Zeit. Was für eine seltsame Schreibtischlampe! Und wie die Mädchen lächeln, in einer Weise lächeln, dass sie zu leuchten scheinen. Es sieht ganz so aus, als hätte das eine Mädchen dem anderen Mädchen gerade eben noch eine Geschichte erzählt. Zufrieden lauscht sie ihren Worten nach, während das andere Mädchen die Geschichte in die Maschine notiert. Zwei Mädchen exakt gleichen Alters, vielleicht schon junge Frauen. In diesem Moment, in dieser Minute, da ich wieder einmal notiere oder bemerke oder erinnere, dass Daisy und Violet Hilton an einer Stelle ihres Körpers derart ineinander verwachsen sind, dass kein Luftraum sie je voneinander trennen wird, wieder der vertraute Eindruck, dass ich ihnen zu nahe kommen könnte, indem ich ihnen schreibe. Und tatsächlich sind sie nun wach geworden. Wie Daisy ihren Kopf zur Seite neigt, eine kaum wahrnehmbare Bewegung. Wie ich müde werde von einer Sekunde zur anderen. Wie Daisy noch sagt: Violet, schau, ist das nicht ein merkwürdiger Mann? Wartet so lange, wartet und wartet, dass wir uns bewegen. Und jetzt ist er eingeschlafen.

 

twins

> particles

19. Mai 2009 22:58










Hartmut Abendschein

Das Mussverständnis

Und heute wieder: die Socken mit den Löchern. (Das musst du selber wissen. Das musst du selber wissen. Das musst du selber wissen.) Neben mir im Bus – der ehemals oberste Preisüberwacher.

Ein Ungefallen
Im Garten der Bambushex
Das Giesskännchengrün

(Von hinten schauen alle immer so jung aus.)

Und: „Wenn wir noch in Gaubickelheim wohnten, dann wärs ein Klacks“ (Alice Schmidt, Tagebuch 1955). Das Mussverständnis. Das Internet? Langsam erhärtet sich der Verdacht, dass es sich dabei um immer dieselben 6-700 Leute handelt.

About Twitter: die Möglichkeit eines Kommentars ohne Kommentandum. Die Möglichkeit eines Aussagenabschusses in einen kaum strukturierten Raum, auch: in einen Raum ohne Festkörper. (Eine Schiessübung im Freien, im Wald).

Dabei die Paradoxie: die zunehmende Toleranz der Normalabweichung und die zunehmende Normalabweichung der Ignoranz.

Lyotard (Nach Barthes, Neutrum, 302, FN 488): Der Augenblick ist gekommen, um den Terror zu unterbrechen. (Dies alles nur theoretisch …)

[notula nova 36]

20. Mai 2009 08:01










Sylvia Geist

Meer

II.

Salzgrammar, nicht erlernbar, löst das Schild,
es warnte vor Ausgestorbenem,
Geschichten, Erinnerungen alter Männer.

Geordnetes Plankton, fünfzig Seiten, das Weiße
des Wals aufzuschlagen, das harpunierte Nichts,
einmal für alle beschrieben der Nährwert

der Unart. Ganz zu schweigen vom Leviathan,
was könnte besser gelingen. Wolkencargo,
Fixsternzirkus, kein Gewerbe meiner Augen.

Mein Schiff kam auf dem Weg der Laute,
aufgeschnappt, gefressen wie Krill,
Manna, als ich Kind war. Ich hörte sie

auf Gischt, die Pequod, die Wachen,
sich ablösende, einander zugewandte
Wörter, in jeder Muschel die Turbine

Tiefe. Raum ist, was ich nicht verdränge, Kleinstes
steigt auf in vegetabilen Galaxien, friedvolle Silben,
die Bläue beginnt, der Atem zu flüstern.


Auch von mir ein herzliches Willkommen, lieber Björn.

20. Mai 2009 12:12










Björn Kiehne

Ackerbau und Viehzucht

Himmelssturm,
Heerschar fallender Engel;
wir pflanzen Alleen
aus stählernen Linden,
zupfen hungrig am ersten Feldgrün.

Hungerblick,
Rudel rasender Wölfe;
wir schmieden Schwerter
aus leuchtenden Pflugscharen,
schnuppern gierig am Morgenrot.

Schreikind,
Weiten brüllender Äcker;
wir züchten Vieh
aus gefallenen Engeln,
stochern suchend im Sturm.

22. Mai 2009 15:38










Thorsten Krämer

Interiors

Das Bild an der Wand wurde eigens für dieses Zimmer gemalt: Vor schwarzem Hintergrund die gelb gepinselten Umrisse von Rosenstängeln, es könnte auch Bambus sein, wären da nicht diese dornenförmigen Auswüchse. Vier Stängel sind es, die in kunstvoll ungleichem Abstand die quadratische Fläche senkrecht teilen. Dieselbe reduzierte Strenge findet sich in der Einrichtung: ein niedriger grüner Sessel aus den 50er Jahren; aus der gleichen Zeit stammt die gerahmte Fotografie auf dem Beistelltisch, ein sich küssendes Paar in Schwarzweiß, die Frau im schulterfreien Kleid, der Mann im Smoking. Daneben eine Karaffe mit Wasser, als Vase für einige grüne Olivenzweige dienend. Die Tischlampe dagegen – auf der anderen Seite neben dem Foto, als wäre es ein Tafelbild – sieht aus wie eine Vase, ist aber nur eine Tischlampe. Der Futon liegt auf einem einfachen Holzgestell; vielleicht der einzige Gegenstand in diesem sorgsam komponierten Raum, dessen Schönheit sich nur zufällig ergeben hat.

22. Mai 2009 19:04










Hans Thill

Lied der Waende

vezlay-grundriss2

Lied der Waende: Emmausjuenger
beim Schmaus darueber Christ Geburt
und Betung. Bernhard weckt das Kind
Nathan schimpft David einen Taeu-
fer da zeigt sich Magdalena
der Fuerstin von Provence Samson
schmeisst den Loewen Maenner essen
Reben. Drache mit Dame Apo-
kalypsepaar. Joseph und zwar
mit Frau Potiphar. Jakob wird
von Isaak geweiht. Peter und
Paul beten. Olifantenen-
gel. Antonius und Paulus
essen auch. Versuchung Bene-
dicti Kains Tod. Apostel
schreiben Reden auf Stein. Bauer
schneidet Brot. Einer friert einer
wirft den Rock ab. Wein wird geschnit-
ten. Einer huetet Schafe. Ein
Krieger stuetzt sich auf sein Schild. Ein
anderer maeht. Gaukler Hund Si-
rene. Schnitter. Bauer drischt sein
Korn. Bauer kippt es in die Hip-
pe. Ernte des Feldes. Bauer
sticht sein Schwein. Mann traegt alte Frau
auf Schultern. Mann haelt den Kelch mit
Wein. Omnibus in membris de-
signat decembris. Wein der Waen-
de. Blondine des Testaments
hier liegstu Stein und Estrich
decken Dich. Wir hueten Deine
Reste wie Nuesse aus dem Gar-
ten Jesse. Wir Inder mit dem
Hundekopf. Wir Rabenvoegel.
Wir Pygmaeen legen die Lei-
ter des Gebets ans Pferd. Fenster
der Nacktheit fliegen in den Him-
mel. Die leere Welt giesst sich aus
im schwarzen September Acht.

Par respect pour se site ne
pas se tenir aux grilles.
Hier haelt man sich nicht an Gittern:
Do Mi Si La Do Re. Haus des
Herrschers aller Noten. Lied
der Waende.

24. Mai 2009 17:24










Hendrik Rost

Urlaute

Meine Tochter holt ein Buch
und wir setzen uns nieder.
Sie zeigt auf ein Tier
und ich mache den passenden Laut.
Alles, was ich sagen kann,
klingt nach Kuh, Schaf, Eule
und Schwein und immer wieder
will sie hören, wie die Welt
schon lang vor uns geklungen hat.

Ich imitiere Kreaturen da draußen,
auf die sie mit dem Finger zeigt
und die sie nie gesehen hat,
aber die mit ihr reden können
durch mich und sie bitten,
sich nie von der Vorstellung
zu lösen zugunsten der Dinge.
Alles, was ich von mir gebe, klingt
primitiv. So ist das bei Tieren.

25. Mai 2009 09:25










Markus Stegmann

Du Meer, memoriere

Lordose molekurlare Gebete Lamm
du Schreber du wach gerüttelten
Reben weisst du was das
gedachte der Berg war dass
wir sassen als Molasse
Matrizen im Palast war es Mond
polare Sonnen oder Roggen fermentierter
Bambus Spolien Kapitelle
schallten erdenkliche Beete
abvererdet
das heisst erbebliches
Gebet als morgen nur
du und ich ankerten
an der InselInsel vor uns im
Angesicht als
Kometen erhängten die Kohle
den Berg essen wir Minen
versenken uns im Meer der
selbige Grund
der bettete der
sandige und Muscheln Schall
umranktes oder wie Salbe
Lavendel des Meeres und
der Liebe Wellen
fastete Durst
es hat noch trockene Erde
dort und

28. Mai 2009 00:23










Thorsten Krämer

Interiors

Der Inhalt der Schubladen von unten nach oben: Geschenkbänder, Schleifen, ca. 10 Meter Kordel, ein Paar warme Wintersocken, zwei eingerissene Papierfächer. Eine kleine Pappschachtel mit Polaroids, ein Bündel Postkarten, Plexiglasteile für ein Architekturmodell, eine zusammengefaltete Packung Heilerde. Ein Schlüsselbund, ein Umschlag mit ausgeschnittenen Briefmarken, mehrere Stopfpilze, Haargummis, ein Pflanzenführer „Was blüht denn da – in Farbe“, eine Plastikdose mit Ein-Pfennig-Münzen. Neben der Kommode liegen zwei weitere Schubladen, ausgelegt mit Butterbrot-Papier. Ansonsten ist der Raum leer. An den mit weißer Raufaser tapezierten Wänden lässt sich noch erkennen, wo Bilder gehangen haben, vielleicht auch ein Spiegel. Der Boden, Laminat, weist einige tiefe Kratzspuren auf. Das Fenster steht auf Kippe.

28. Mai 2009 12:36










Andreas Louis Seyerlein

~

5.05 – Die ganze Nacht über fiel leise Regen. Das Geräusch des Wassers, ein Geräusch des Bodens, der Stämme, der Dächer, der Regenrinnen. Vielleicht, weil in ihm Zeit enthalten ist, Tropfen für Tropfen zu einer regelmäßigen Bewegung, höre ich dieses Geräusch als ein beruhigendes Geräusch. Oder auch deshalb, weil ich das Wesen der Kiemenmenschen in mir trage, weil ich von Menschenwohnungen erzähle, die unter Wasser stehen. An diesem kühlen Morgen im Mai ist noch etwas Wesentliches festzuhalten, ein angenehmes Wort, das Wort Leuchtfeuer. Und dass ich von Kranichen träumte, ja träumte, selbst ein Kranich unter Kranichen zu sein. Wir flogen eine Küste entlang. Ich erinnere mich, dass ich durstig gewesen war, weil viel Sonne vom Himmel brannte. Die Kraniche bemerkten bald, dass mich die Hitze quälte. Sie suchten nach meinem Schnabel, um mich mit Wasser zu füttern. Aber ich hatte keinen Schnabel, sondern einen menschlichen Mund, weshalb sie bald aufgaben, mich füttern zu wollen. Stattdessen näherte sich einer nach dem anderen, um nachzusehen, welch seltsamer Vogel mit ihnen nach Norden flog.

> particles

31. Mai 2009 15:37