Gerald Koll
Zazen-Sesshin (48)
… könnten Stroh zu Gold spinnen !
2. Dezember 2012 11:49
Traum, am Nachmittag, auf dem Sofa, nach dem Zähneziehen, dass die Umkleidekabinen der Turnhallen in meiner Kindheit immer unvorstellbar hohe Decken und Fenster hatten, und dass der Junge, mit dem ich dort am liebsten tobte, behauptete, er würde schon seit 5 Jahren in unserer Wohnung wohnen; wir rangelten uns, und das tat natürlich viel mehr weh, als wenn unsere Eltern uns schlugen, aber darüber beschwerten wir uns nicht.
6. Dezember 2012 09:42das pflügen von haut
der duschvorhang brämig
und brennnässelschmämig der arm, der leckt.
wachwundes als schorf & scham, die versandet & leim,
der krustet und schurft in eimern sich aus,
der rindet sich fäulend ins becken hinab.
der saum, ockereitrig, als wär´s bloß urin.
Zu den aufmunternden Worten des namenlosen Mönchs nickte bescheiden der profane Novize, aus dem dieser Tage, der letzten des Jahres, alle Farbe floss, und dankbar blickte der Gast, der auch heute Morgen immerfort eingeschlafen war.
Das letzte Zazen, das vierundfünfzigste, beginnt in vier Minuten. Heute ist der 31.12.2011. Es ist 12:06.
9. Dezember 2012 11:26…
(Aus: Edisons Glühbirne. In: Der geheime Garten vom Nakano Broadway. Von Masayuki Kusumi (Text) und Jiro Taniguchi (Zeichnung). Bei: Carlsen Comics. Hamburg 2012.)
9. Dezember 2012 11:316.45 – Im Warenhaus entdecke ich Preise, beispielsweise den Preis von 1.99 für ein Paar Handschuhe, gestrickt. Das fünfte Jahr in Folge ist es gekommen, dass die Preise für Handschuhe fallen. Sie scheinen inzwischen auf Bäumen zu wachsen wie Bananen. Auch Bananen werden immer billiger. An den Handschuhspitzen, dort wo man einen Zeigerfinger hineinstecken kann, entkommen dem Gewebe Fäden. An dieser Stelle, so nehme ich an, waren sie mit ihrem Baum verbunden, hier wurden sie getrennt vom Wind, der Schwerkraft oder von Menschen, die kaum etwas verdienen, nur gerade soviel, dass sie nicht verhungern oder verdursten, weil man sie noch gebrauchen könnte in den nächsten Jahren, geübte, geduldige Frauen und Männer. Vermutlich sind Handschuhbäume ganzjährig blühende Wesen, irgendwo ist immer Winter. Außerdem lassen sich Handschuhe gut aufbewahren, sie verderben nicht so schnell, man muss sie nicht einmal kühlen, nur gefräßige Tiere vertreiben. Das alles, dass Handschuhe von den Bäumen kommen, scheint noch sehr geheim zu sein. Ich habe vor wenigen Minuten versucht mittels der Suchmaschine Google herauszufinden wo Bäume, wie ich sie mir vorstellte, wachsen und wo man sie ihrer Früchte beraubt. –stop
18. Dezember 2012 16:41Zustell-Ende in der Heinrich-Heine. Ich geh kurz vor eins noch beim Bäcker rein. Bevor ich mein Brot bestellen kann, kommt eine ältere Frau hereingestürmt. „Ich muss mal kurz stören, ich hab was ganz Blödes gemacht. Ich habe zwei Tüten mit Kleidern in den Altkleidercontainer geworfen und meinen Schlüssel samt Portemonaie hinterher!“ Ihre Panik flirrt in der Luft. Die Bäckerin zwinkert: „Die ist immer so. Auch wenn sie nicht ‚was ganz Blödes‘ gemacht hat.“ Ich gehe mit der Frau hinaus, gebe ihr mein Handy; aber sie kann damit nicht umgehen. Kurz darauf hänge ich in Warteschleifen und fremden Geschichten. Gerade will ich fragen, was ich auf den AB sprechen soll, da sehe ich, wie sie in den Container klettert… Pünktlich Feierabend machen, mit einem Brot in der Tasche, davon träume ich nur.
22. Dezember 2012 14:59