Thorsten Krämer

Untitled

Ein weiches Kollektiv: Die avancierte Choreo
lässt Raum für Interpretationen. Die Knopfaugen
sind ausdruckslos. Wir wissen zu wenig vom Leben

der Stofftiere: wie sie sich verständigen; was sie
machen, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Ein
Wohnprojekt im Pelz, das flauschige Alter.

2. Mai 2015 11:27










Christine Kappe

Moskau – Berlin

Das Wasser auf der Tragfläche trocknet in Sekunden
„Hier scheint immer die Sonne“
tröstest du mich
wir haben die vorderen Sitze runtergeklappt und die Beine daraufgelegt
fragt sich, in welcher Sprache wir lachen
„Draußen dürften es jetzt -50 ° sein“
fühl mich so hilflos, auszudrücken
dass der Himmel hier doch
und sowieso anders ist
(njeba oder njebeßa?)
nicht Angst vorm Fliegen, sondern Angst vorm Himmel
könnte aber auch bloß ein Übersetzungsproblem sein

4. Mai 2015 09:31










Andreas H. Drescher

CHORPROBE VOR EINEM LEEREN STUHL

Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr es mich zum Lachen reizt, dass du nichts sagst. Sitz doch nicht so in deinen Bildern und schweig dein Lächeln aus der Luft! Das geht schon viel zu lange so. Setz dich doch wenigstens so hin, dass deine Achseln über meine Rückenlehne hängen. So wirst du früher oder später schon von selber singen. Und wenn es nur das Blut in deinen Armen ist. Wovon? Gleichgültig! Vom Glas meinetwegen. Von Heidelbeeren. Schließlich wird jedes Blut im Schlaf zu Heidelbeeren. Weil sie den Nachmund feiern. Und das Lachen aus der Stadt, das in den Wald geht. Was? Verrückt? Nur, weil die Heidelbeere blasser wird im Glas? Natürlich! Ein Einmachglas ist nicht nur durch Kerzenruß zu färben! Schweig das mal, wenn du noch schweigen kannst!

Ein Mund also. Ein ganzes Land voll Mund. Und mitten in der Fülle sitzt du, ohne dich zu rühren. So haben auch Nächte ihren Ton. Ein breites, aber nicht sehr hohes Rascheln. Wenigstens über den Dornen. Das steht das Haus, das sitzt es. Komm, ich mach´s dir vor, wenn du mich nicht verstehst. Ich mach dir vor, wir wären alt und hätten nicht geschwiegen. An den Bäumen her und überhaupt. An der Lehne der Bäume entlang, die nun ich bin. Leicht gebogen und verschnürt. Ins Schnüren, wie nur ein Fuchs es kann.

Das ist nicht wahr? – Was du nicht sagst? – Das kippt den Stuhl, der ich nicht bin?

Fäden aus Dunkelheit. Und keine Gegend jetzt. Gar keine Gegend mehr. Gleich hinter der Ecke fängt bereits der Ramsch an. Ein Schu, ein Schu als du. So, wie selbst nie warst und werden wirst: baumaufwärts, lehnenaufwärts, aufgelehnt. Wie wäre das? Ohne die Rinde zu verletzen? Ja, ein Stuhl mit Rinde. Ist nur hinter sich verletzt, aber doch schwerer? Du redest aber kompliziertes Zeug. Lass mich das mal begrübeln. Eins. Zwei. Drei. Das sind nur Birken, deren Rinde ist auch innen außen. Was das heißen soll? Wie dumm zu fragen! Dass ihnen nichts passieren kann. Es sind noch Birken, ja! Auch wenn du hinter der Kontur nur wenige erkennst. Selbst gegen die keine Sonne hin. Das Nichts bleibt nicht.

Deshalb, ja, eben deshalb bleibst du zwei und lässt mir keinen: es setzt sich jetzt.

13. Mai 2015 07:02










Hendrik Rost

Epigramm

Lesen die Deutschen ihre Krimis lieber am Meer oder in den Bergen?
Töten sie ihre Gespenster bevorzugt
aus Liebe oder in der Erinnerung?

Unser Wolfsspitz war bissig nur an der Leine.
Beim Malen nach Zahlen habe ich mich verrechnet
und jetzt ist alles Schwarze rot, das Goldene schwarz.

Der Nachbar schlug seine Kinder mit dem Knüppel.
Zwischen den Wahrheiten, da liegt das Paradies der Kellerasseln.
Bei Gefahr stellen sie sich tot.

13. Mai 2015 16:08










Mirko Bonné

Jetzt und hier

Wenn du mit deinem Duft so
zu mir kommst, seh ich deine
jungen Augen, sehe die Zeit
und sehe darin ganz dich.
Wenn du mit deinem Duft
dich zu mir legst, atme ich ihn,
ich atme dich ein, ein Atemglück.
Dann atme ich mich mit dir zurück.
Es wird eine Zeit ohne dich geben,
eine Luftleere und Zeit ohne Atem.
Und eine Zeit wird es geben ohne
mich für dich. Jetzt sind wir hier.
Jetzt aber bin ich hier bei dir.

*

14. Mai 2015 11:22










Thorsten Krämer

Vier Tage schulfrei:
Der Schweißgeruch der Kinder
durchquert die Wohnung.

14. Mai 2015 14:49










Markus Stegmann

Ich lag im Gras bei Essertfallon

Ich lag im Gras bei Essertfallon
endlose Butterblumen als Butterblumen
in unseren Himmel sickerten ins Blut
durchs Tal und versteck dich
wo bist du warum
verrinnen wir in der Wiese
fotografierter buchstabierter Morgen
nochmal Morgen
schwimmst du raus in den See
ins klare Wasser
schreibst du
und heut ist weisst du wie das ging
alles verhing weiss nicht
warum nur legte ich meinen Arm
nicht beim abendlichen Licht
der Alpen
ans Ende der Welt

Ich lag im Gras bei Essertfallon und
dachte an dich
Ich lag im Gras bei Essertfallon und
du lagst neben mir

Um wenigstens
auf der Festplatte
der blauen Rettung
deine Worte
zu löschen

15. Mai 2015 21:01










Tobias Schoofs

SPUCKE

die sonne steht über dem seiten
rand wie sie über dem meer steht
diese zeilen schreiben oder ins meer
spucken: das ist in etwa das gleiche

lies du diese zeilen und wenn du
das meer siehst: denke an mich

18. Mai 2015 16:38










Hendrik Rost

Handhabe

Jetzt noch glauben an die Kombination im Innern.
Jetzt noch eine Nacht dazwischen liegen lassen.
An Zeit glauben, die über Ozeane streicht,
und dazwischen eine Nacht liegen lassen.
Daran glauben, an Metaphern und an Steinzeit,
den Zahnlosen, der das Werkzeug Ich entdeckt.
Vor allem glauben an das Gelb der Wespen,
an das Schwarz, das als Nacht dazwischen liegt,
an den Stich glauben, an Strich in der Landschaft,
Sticheln im Rachen. Eine Nacht verstreichen lassen.
Jetzt noch glauben an Erwägen. Dann weltumgoldet:
der Entschluss. Eine Nacht dazwischen lassen.
Am Morgen an Material glauben, Magritte, an Stil
als Projektil, an seine Reise durch die Nacht.
Noch glauben, dies ist die virtuose Zwischenzeit,
glauben an das neue Joch. Keine Routine lassen.
Jetzt. Und sichere Nächte keine. Keine Methode.

21. Mai 2015 15:46










Tobias Schoofs

KONSTELLATIONEN

konstellationen aus wörtern
aus phrasen aus tönen
aus ikonographischem erbe

du stellst sie zusammen
horchst auf effekte
klopfst immer wieder und

horchst – du folgst nicht
dem sinn du folgst einer spur
einer logik dem rhythmus

dem erbe das um dich ist
und in dir ist ein drängen
ein gefühl

30. Mai 2015 12:50