Tobias Schoofs

RAUPE

schichtwechsel raus
aus dem wagen wir sind dran
rein ins vergnügen bügel runter

der typ im kabuff hörts quasseln
nicht auf da wummert der sommer
hit es fährt und wird schneller
haare fliegen die brille macht

sorgen da hab ich was warmes
in der hand es ist eine hand man
kommt ins dunkel man knutscht
fühlt sich feucht da wird es

langweiliger und im licht auf
einmal ist es vergangen
schichtwechsel raus

1. Juli 2015 22:26










Hendrik Rost

So die Anziehungskraft

Was leicht ist, muss nach oben stürzen.
Es gibt nichts Schönes, außer man tötet es.
Es schwingen die Zungen, die Äxte.
Einer oder tausend, wer ist der Nächste?

2. Juli 2015 08:34










Mirko Bonné

Trost

Im Juni nur Regen,
ein Regen, der Regen,
wie Regen, wieder Regen.
Aber dazwischen du, du,
du und du, und du, du,
du und noch mal du,
mit deiner durchsichtigen,
duldsamen, mitunter dunklen,
durch und durch weichen,
warmen und blassen
nassen Haut.

*

4. Juli 2015 14:48










Thorsten Krämer

The house dog at home

Statik der Treue: ein Hinübergleiten
in den Hintergrund, unmerkliche Unbeweglichkeit.

Das Tier, im weißen Fell der Blüten, weiß
nicht, was es tut. Es sitzt nur da und sitzt.

Your homecoming will be my homecoming. Ein Vers
von Cummings weht herbei, bewegt Blüten und Fell.

Statik der Treue: ein Balanceakt
im Unsichtbaren, die mikrotonalen Müdigkeiten.

9. Juli 2015 11:05










Christian Lorenz Müller

15. Regentonnenvariation

Für zwei Wochen blind.
Ihr ungläubiges Blinzeln
als die Hitze bricht.

10. Juli 2015 12:44










Christine Kappe

Die Freiheitsstatue steht kurz vor Reims

die Freiheitsstatue steht kurz vor Reims und am Rand von Paris wir Frauen
tratschen & haben einen Überblick dick sind wir
Familienoberhäupter aus allen Nationen
sicherlich
ist die Stadt einer unserer Exzesse wie die Frau mit den blauen Wimpern
ist sie behindert oder total breit?
am Ende des Tages kommt ein alter Mann
legt ihr ein Tuch um die Schultern spricht mit ihr füttert die Tauben die Tauben
wirbeln das Licht auf ohne das es diese Stadt nicht gäbe wir
haben alle verkrüppelte Füße und zerrupfte Körper
der alte Mann führt die Frau über die Straße muss sie stützen
sehe den beiden noch lange nach
& Blütenstaub
ob sich auch jemand um mich kümmert wenn ich verrückt bin?
andererseits will ich erst gar nicht verrückt werden
lieber weinen

(für Sylvia Geist)

12. Juli 2015 21:27










Hendrik Rost

Alle Sinne bestätigen

Ging mit Kleist um die Alster,
es ist in der Idylle auch Lülle, sagt er,
ist auch Pulver im Abschied,
dichtet er und zeigt auf den Reiher
im Schilf. Ist nicht falsch,
zu gewahren, jubelt er und
zielt mit dem Finger ins Blaue.
Schau im Schnabel eine Gabe,
da zappelt ein Maulwurf, rudert
mit Grabespfoten in Luft. Sagt er,
weine nicht um den Troglodyten,
der lernt jetzt fliegen, geht mit
der Vogelmutter, wird in der Kolonie
Futter fürs Kleinvieh. Kein Glück
für ihn auf Erden. Sagt er:
Wir wollten nie nur laufen
um den Wannsee, wollten im Grunde
ersaufen, nichts in der Welt,
das uns abhält, in aller Munde.

14. Juli 2015 11:25










Tobias Schoofs

REKURSION IM AUGUST

die jalousien sind runtergelassen
nur einige unvermeidliche ritzen
verraten dass draußen sommer ist

wo alles sich durch licht beweist
und schatten · code der unentziffert
bleibt im leselicht in dem du

träumst von einem gegenglück:
dem gegenglück: dem gegenglück:

17. Juli 2015 13:14










Mathias Jeschke

Drosophila melanogaster

Die schwarzbäuchige Fruchtfliege ertränkt
sich selbst in der Falle aus Obstessig, Zucker
und Spülmittel. Ein Gemisch wie von Shakira
ersonnen. Borke, Ahorn, ihre Stimme, kehlig,
von dunklem Honig benetzt, zu beizenden

Rhythmen, verlockt dazu, jetzt endlich die
längst schon lästigen Hüllen fallen zu lassen,
die strandnahe Freude am wirklichen Leben
zu teilen, große Nähe verheißt sie zu uralten
Wünschen, denen nach Erfüllung, ist das

nicht das, was du und ich miteinander wollen,
komm, lass dir einschenken, lass uns diesen
torfmoorrauchigen Whiskey trinken, aber,
bitte, lass uns nicht sprechen, worüber wir
immer schon besser geschwiegen hätten.

Du und ich, wir Vagabunden in galaktischen
Regionen erlesener Ausdauer, wir haben
lernen müssen zu kämpfen, das hat uns
zu Jedis gemacht. Tanzen und Überleben
sind eins, Verwundungen sind Ordensmale.

19. Juli 2015 22:00










Mathias Jeschke

Acanthocinus aedilis

Der Zimmermannsbock an der Holzwand,
sonnenerhitzt, schwenkt seine Fühler
von fünffacher Körperlänge und ich denke:
Ja, solche Fühler habe ich auch und ich
ertaste euch bei euren Gefühlen und Gedanken.

Und denke zu meinem Leidwesen: Scheiße,
ich bin verantwortlich oder könnte euch helfen,
beihelfen, verändern. Ihr seid die Kurzen,
ich bin der Lange, der Ausufernde, Ungebärdige
und Unfassbare, ja, der Unordentliche sogar,
dessen emotionale Empfindsamkeit euch scannt.

Das versteht keiner, der es nicht von sich selber
kennt, aber ihr spürt etwas davon, ein schieres
Unwohlsein, mal eine leise Sympathie, gleichzeitig
so etwas wie Abscheu oder Überdruss, da es
euch zu nahe kommt. Lasst euch nicht verhärten,

lasst euch ein! Kommt mir nah, aber nicht zu sehr.
Eure kupfernen Gedanken, euer sehnendes
Suchen erfasse ich mit der Angel meines Geistes.
Und das meint nicht den Intellekt, sondern die
emotionale Intelligenz, die in Gedichten denkt.

21. Juli 2015 22:55










Björn Kiehne

Aber ich weiß

Ich gehe zurück in meine Geschichte
an den Ort mit den Löchern in der Zeit –
der einzige Fluchtweg ist der nach innen,
du weisst das, deshalb such ich dich dort.

Die Landschaften, die auf mich warten
sind aus glühendem Eis, Schnee
dampft auf Bergrücken,
die schwer am Himmel tragen.

Ich spreche jetzt nicht über das
Getrennt sein, allein, mir nicht genug –

lieber über flimmernde Blumenwiesen,
die das Schmelzwasser in Silberfäden
ins Tal senden, lieber über die
Pappelstraßen der Ebene,
die heckenbewachten Bäche,
das Dorf an der Mündung des Flusses,
in dem ich dich einmal sah, lieber
über die Dünen, die kleinen Büsche
wilder Rosen, das Nebelhorn,
das durch die Sandtäler dröhnt.

Bald öffnet sich der Blick,
bald leuchtet das Meer,
bald such ich den Horizont ab nach dir,
Welle für Welle, Jahr für Jahr –
ich kann dich nicht sehen,
aber ich weiß, du bist da.

22. Juli 2015 12:46










Christian Lorenz Müller

Mohn

Es ist so leicht. Es ist ein zweigeteilter Vers, nicht mehr.
Der Imam spricht ihn vor, du sprichst ihn nach.
Dann gratulieren dir die Brüder,
Ahmed umarmt und küsst dich, und er lacht:
Nun heißt du Hassan, Hassan Al-Almani,
und du verstehst: Die Suren, sie sind Blumen,
sie sind wie leuchtend roter Mohn
der nicht verwelkt. Sei ihnen Vase,
lass das Wort aus deinem Munde blühn.
Der Duft des Glaubens
kommt aus Allahs Garten.

Denk nicht zurück. Denk an die Huris,
an das Blütenblatt in ihrem Schoß,
an deinen Platz am kühlen Bach.
Fruchtbar grünt das Land
wenn ein Regen aus Patronen fällt.

Sag dir die Sure vor, sei ihr Vase –
es ist ein Vers, nicht mehr. Es ist so leicht.

27. Juli 2015 18:03










Mirko Bonné

Die Stare im Mohn

Der Busch, voll schwarzer Blüten,
  mitten im Mohn, als du morgens
vors Haus gehst, in die Grasdünen,
  der sonderbar schwarze Strauch
sprüht davon, steigt auf, der Rest
  der Nacht rauscht ab in die Bläue,
    den vorüberfliegenden neuen Tag.

*

29. Juli 2015 20:47