Björn Kiehne

Treibgut

Im Salzwasser schweben,
Zeilen wie Nabelschnüre,
Dinge, die voreinander fliehen,
mit Tang an einander binden.

Zusammen mit dir und den Wellen
ein Lied anstimmen, verbunden
und genährt, der Sonne zu-
blinzeln wie einer Vertrauten.

Teile unserer gemeinsamen
Erzählung, treiben wir auf
dem Meer, bis die Wörter
nicht mehr zueinanderfinden.

Was geschieht, was lockt den
Sturm in unsere Bucht, was
trennt die Silben, was lässt die
Wellen zu Brechern werden?

Die Wellen sagen: Schwimm!
Streich dir das Alter aus dem
Gesicht, erinnere die Einsamkeit
wie ein vergessenes Lied.

2. Mai 2018 05:30










Julia Trompeter

Luftmaschine

Trösten wir uns einfach mit dem nicht Geklappten
das sich, anders als der schnell verklappte Müll im Meer
in Luft vergessen hat auf unserer Reise

Stell dir ein reinweißes Segel vor
nen inselfreien Horizont
keine Fische, kein Plastik im Bauch
nur du und ich und die ZuKunft
Nicht mal der Himmel stört

Wenn ich hier am mosaikenen Kanal ganz steilrecht hocke
tröste ich mich so. Das kann ich dir natürlich nicht mehr sagen
Wie das eben so ist mit Dingen, die sich im Nichts auflösen

3. Mai 2018 09:02










Konstantin Ames

karlkarlkarlkarlkralkarlacker



5. Mai 2018 11:25










Tobias Schoofs

SAMSA

mein auto ist ein samsa ein
großes ungeziefer das fliegen
fängt während der zick-zack-
förmigen fahrt es ist völlig

autonom es braucht keinen
strom wie hat sich die technik
doch entwickelt denke ich oft
noch gestern war alles metall

und zahnrad heute trägt uns
organische masse in einem
random walk von a nach b

5. Mai 2018 13:26










Mirko Bonné

Zum Tod von Günter Herburger

Saurüssele

Das Wichtigste,
was man von Schweinen
lernen kann: kein Mensch zu sein.

Sie sind sehr sauber,
sehr gefühlvoll, ein wenig zänkisch,
kämpferisch, aber dann lieben
sie einander wieder,
und wenn sie weinen,
was sie gerne tun, schreien
sie kaum und lächeln dabei.

Einen Tag, bevor sie
geschlachtet werden sollen,
sind sie nervös und konfus,
rennen umher und beschmutzen sich.
Dann beginnen sie zu singen,
sehr tief und sehr hoch,
wir vermögen es nicht zu hören.

Kein einziges Schwein ist bekannt,
das alt, krank und mager
noch auf der Weide lebte,
ganz und gar nicht allein,
weil umgeben von Igeln,
sodass, wenn es stirbt,
es auch ein Häufchen wäre,
bedeckt von Blättern und Geschmeiß,
deren Konzerte
wir niemals vernehmen.

Günter Herburger
6. April 1932 – 3. Mai 2018

*

7. Mai 2018 12:03










Andreas H. Drescher

TEILTROMPETER

Giftige Katzen trompetet der Teiltrompeter
Absurdität um Absurdität
Bitter-Texturen mit aufgestelltem Fell
das Vernünfte ins Hecheln
massiert wo seine Rheuma-Räume warten
Wird man doch wohl noch
schweigen dürfen Hall-Schweigen erster Art
Phonetische Manöver von
Katzenzungen über Haut überhaupt Poren alle
in Ohren umgearbeitet loslos
So kommt es dass selbst wer weghört hinhört

8. Mai 2018 07:59










Nikolai Vogel

Fragmente zu einem Langgedicht

Wünsche, die wieder wegtrocknen

9. Mai 2018 15:46










Christine Kappe

Niemand wünscht dir eine gute Nacht
Nicht einmal eine Nacht
Ich meine – irgendeine

Draußen haben sie einfach das Licht ausgeschaltet
Nur der Wind ist noch wach
Treibt kleine Tropfen vor sich her
Weiß nicht so recht, wohin damit

10. Mai 2018 07:21










Thorsten Krämer

Ich will eine Beule von dir, habe ich

in den Sand geschrieben, aber der Sand
kann nicht lesen, und das Meer ist zu müde
für Haarspaltereien. Dann gehen wir eben
einkaufen, sagst du, und hast schon den

Kuli gezückt. Wir schreiben Listen als
Teambuilding, unser Enthusiasmus über-
fordert jeden Supermarkt. Mit streberhaft
gepackten Tüten folgen wir dem Radweg

bis zur Erschöpfung. Da liegen wir dann
so rum, wir könnten auch heldenhaft wieder
aufstehen, aber wozu? Kommissarisch werden
wir Weichtiere, der vorurteilsfreie Nachmittag

schüttelt mitfühlend unsere Hände. Also was
ist jetzt mit der Beule?

10. Mai 2018 07:46










Konstantin Ames

Iranlied R Auf die Krawatte meiner U-Bahnfahrerin

Nein, ich duze sie nicht. Und bald wird sie tot sein.
So wie alle Untergrundbahnfahrerinnen dieser Welt Berlin
ist im Grund nett und hat keinen Schimmer von Z… G… P…
(Schweiß auch nicht mehr. Morgen Gestalt beim Termintherapeuten annehmen.)
Ihr Finanzgebären ist nicht risikofreudig und hat wenig Volumen, gar noch weniger

Volumen als mein Haar, es ist automatisch geschrieben worden, mein
Haar. Ihr kennt solche Romanpoesie, Vorlagen für Mattscheiben. Aber
das wahr früher. Und nicht jetzt. Jetzt ist eine elekrifizierte Höhle. Da sitzen
Eklektiker. Innen eine Zierde. Sei mal außen vor. Kannst du das? Weißt du
dämlicher Spatz überhaupt noch, wie das geht? Das sind wohl so die Gedanken
meiner U-Bahnfahrerin über mich. Sie kann die Spur nicht verlassen.
Ihre Krawatte schmiegt sich an den Kragen, halboffen, fast nicht da.
Außer einer Fallhöhe. Konsequent unterlaufen.

13. Mai 2018 18:16










Andreas H. Drescher

ÖZILS KAMPFHUNDE VERTAGT

Die angreifbare Waldwand
Erst hinter dem Saum der Windeinfall
Dreißigvierzig Schritte erst
Dort rückt die Blechlichkeit sich ein
Als beknopfte Maschine als
Knirschendes hackendes Harken derer
die das für dich weiterdenken

14. Mai 2018 20:55










Hans Thill

Zettel

im rinnstein

19. Mai 2018 21:06










Tobias Schoofs

IN GOD WE TRUST

sagt er und zeigt auf einen franklin
sagt sie in einem auto das nicht fährt
du musst schon irgendwem vertrauen
sonst stehst du bald alleine da

die beiden kratzen alte schrammen
starren ins leere und sie sitzen zur
verschrottung reif im müll wie soll
das weitergehen fragt man sich

und knutscht herum im autokino
aus dem man sich im auto fort
bewegt das aber wie bereits
erwähnt nicht fährt

21. Mai 2018 14:12










Mirko Bonné

Nachtöffnung

Regen, ein Gefühl,
und die mageren Nebelpferde
knapp überm Erdboden.
Da sind wir aufgehoben, alle
traurigen Gestalten eines Lebens,
unter einem Baum, der bleibt,
und über den gelben Wassern.

Durch uns segeln
die Mauern hindurch
in die Nachtöffnung,
mit einem Mund, der aufgeht
und der uns sagt, die Brücke,
hier ist sie zu Ende. Und ins Moos
auf dem Handrücken kratzt der Wind
lesbare Regungen.

*

25. Mai 2018 23:20










Christine Kappe

sie hält die Speisekarte im Rinnstein für ein Gedicht

sie hält die Speisekarte im Rinnstein für ein Gedicht
eins mit Flattersatz
er träumt von einem alten herrschaftlich Haus mit einem See
von unten beleuchtet und mit zwei Schweineherden

„Magst du das, so zu gehen?“
„Ja. Fühlt sich gut an.“

„Und du?“
„Eigentlich nicht so, aber es fühlt sich gut an.“


„Du hast doch aber damit angefangen und meine Hand genommen.“
„Stimmt.

27. Mai 2018 21:43










Andreas H. Drescher

ZOCKERPARADIES

Ausgespielt im obskuren Rinnen
gleißender Profilierung Abhandliches Lehnen
geteilter Buntsandstein Was alles es hütet und
aufbraucht flüssigen Theodolits Der wahren Vertikale
aller Atem aufgebraucht vom Steigen der Extrapolation

Gereinigt wettet es auf sich selbst wo immer es kann

Medikamentierte Züge in den Tag ranziger Kriege
Rhetorisch geläpperte Zungen Ein und Aus
richterische Konditionen in den Herzog
meinendeinen Herzog nichtgemachter Detoxine
Maelstromplappern ausgereicht und dann kassiert

Rektal das Ergo suppenkaspert im Discounter

30. Mai 2018 20:55