Christine Kappe
Als ich im strömenden Regen die Kinder abholen fuhr mit dem Bus
Und Renate bog ab zu ihrem Auto barfuß in Hausschuhen kreidebleich
Und übermüdet zitterig vor Nikotinmangel nach dieser langen sinnlosen Sitzung
Kann ich dich mitnehmen Richtung Vahrenwalder? – Nein ich muss Podbi
Oh nein das ist ja Stadt ich fahre RAUS zum Glück
Recht hat sie schön ist was anderes an der Bushaltestelle
Ist nicht viel los ein stinkender ketterauchender Mann und ein Alki der
Den Mülleimer durchsucht wir fahren an trostlosen grauen Hochhäusern
Vorbei zur Podbi wo Wilkos Freund nahebei in einer „Bontzenvilla“ anderes
Extrem aber wahrlich auch kein Luftkurort inzwischen fühle ich mich richtig
Krank von diesen ganzen Umweltgiften und einzig dass ich mir einbilde ich bin
Eine Heldin hält mich aufrecht zugegebenermaßen ein ganz schön dummes Denken
4. Januar 2019 00:32
Christian Lorenz Müller
Das Eichhörnchen blitzt
schwarz im Schnee. Dann der Donner
der Räumfahrzeuge.
4. Januar 2019 16:12
Hans Thill
, ein Wort, groß wie der Schatten von Hans Test. Ihr so: XX
reicht nicht. Ein Wald, durch den ein Zug fährt. Die Knöpfe
am Hemd eines Holzfällers. Vielleicht minus eins.
Ihr so: Viele nennen ihren Körper einfach Koffer.
Vielen schmeckt der Wind noch zu süß
Jürgen Theobaldy
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Zwei Silben, licht wie die Schatten von Tesafilm
auf dem Blatt Papier, A4 oder XL, wenn das reicht.
Ein Hochgeschwindigkeitswald fährt durch einen Zug
mit einer dampfenden Lok: bestimmt Jahrzehnte nach
dem Sürrealismus. Holzfäller gibt es nicht. Oder
in Kanada. Knöpfe gibt es? Reissverschlüsse gibt es!
Hemden gibt es auch. Aber die Jungen lehnen sie ab.
Sondern Pullis. Ihre Pullis schweiseln. Sagt Oma zu recht.
Andrerseits Oma lebt schon lange nicht mehr.
Flugtaschen ersetzen Koffer, Flügel haften still
an Körpern. In der Höhe schmeckt die Luft nach kalt.
Es gibt andere. Andere denken, der Wind ist süß gezuckert.
Doch sind sie am Boden, tief unten, sie rufen bodenständig:
Sterne in Sicht! Ewigkeiten in Sicht! Sei dabei! Steig auf!
5. Januar 2019 16:31
Mathias Jeschke
Ich bin der Wal deiner Träume. Ich verwirre
mich jedoch immer wieder im Geflecht
langsamer Gefühle, diesen Netzen, denen
wir beide nicht gewachsen sind, du liegst und
vielleicht schläfst du, ich aber sitze mich hier
zuschanden, das Wasserglas immer am Mann.
Nie hat mich keiner gefragt, wie wohl mir ist
am Abend. Ich schwimme hinaus, eigentlich
nur auf der Suche nach dem Punkt, der richtigen
Stelle, an der ich gut die Wasseroberfläche
durchbrechen kann, um zu springen. Wohin
denn sonst! Wenn ich zurück ins Wasser falle,
dringe ich ein in deinen Schlaf und du wirst
unruhig. Ich aber sinke hinab, weit unter deine
von den Rettungskreuzern bereits geortete
Position, in das gnädige Dunkel, das mich erinnert
an die Regionen jenseits der beleuchteten
Zentren auf den Bildern Rembrandts, die vom
Anglerfisch bewohnte Tiefsee, dieses Dunkel,
das nur mir gehört, solange ich weiter schweige.
8. Januar 2019 23:00
Mirko Bonné
Immer wollte ich
mit den Schatten reden,
sie aber, diese Spiegel in der Nacht, sagten
nichts, raunten bloß wie ich und
zuckten herum im Dunkeln.
Unter den Espen
die Schatten, und über den
Schatten die Zweige, dazwischen, vielleicht
im Licht, war ich, und zu Haus in
meinem Bild ein Funkeln.
*
13. Januar 2019 12:35
Christian Lorenz Müller
Die Beete schieben sich
wie weiße Schollen gegen den Zaun.
Schneedruck lässt die Spanten
der Gartenhütte knacksen.
Kieloben treibt sie
als verlassenes Schiff
durch den Abenddämmer.
Weiß verwehte Bullaugen
aus Eis in den Regentonnen.
Eine lebensfeindliche Umwelt
für Erwachsene. Die Kinder hingegen
verschwinden in Schneelöchern,
tauchen hinab
zu den üppigen Fischgründen
ihrer Phantasie
oder suhlen sich voller Lust
auf den kalten Schollen.
Im dichter fallenden Weiß
schimmern die nahen Straßenlaternen
polarlichthaft. So driftet der Garten
dem nächsten Tauwetter zu.
14. Januar 2019 12:12
Christine Kappe
Auf dem Weg zur Arbeit
im Dunkeln
philosophiert
Warum sterben wir
Wenn wir nicht stürben
wäre an uns doch irgendsoeine Art Leine
die uns mit ewigem Leben versorgt
Und die würde beim Radfahren stören
17. Januar 2019 21:15
Tobias Schoofs
leonardo erklärt den vetruvischen mann
und niccolò staunt als cesare den raum
betritt wird geschwiegen leonardo sagt
er bring uns die pläne und sie studieren
stadtbefestigung und niccolò zieht sich
zurück und bewundert im schatten der
schwärme von fliegen vorm fenster die
methoden des principe leonardo geht
später spazieren wo es weniger stinkt
und zeichnet vogelschwärme im flug
20. Januar 2019 20:47
Julia Trompeter
Milchschorf, der unter den Nägeln hängt,
bange Bitten zwischen ungeweinten Tränen,
nicht geschlafene Nächte – und Tee, der
auf Zedern quellt und Blicke lenkt,
und das letzte Mal ist lange her.
Nirgends ein Zipfel mehr von dir,
nicht mal das ungemachte Bett, auch nicht
mein ungemachtes Haar, das Textchen hier,
der Anrufantwortpiepton schweigt, der Schlingel –
nur bei den Nachbarn ist noch Abendbrotverzehr.
Ich hab den Alltag in der Poesie verloren,
ich hab als Mutter keinen Sinn für die Natur,
es ist im Schornstein noch kein Qualm geboren,
ich bin so müd, ich glaub, ich träum das alles nur.
27. Januar 2019 20:08
Konstantin Ames
Zuchttauben tropfen von den Drähten. Das nennt
Feinsinniger Regen tropft aufs äußere Tier. Das nennt
Geld, Charles, verdummt Dichter. Nennt das
Schenke. Vor allem schenke aus. Das nennt
Techné: penisbeinernes Dorf ohne Außenseiter. Nennt das doch
Rabe, ey, knabbernder Rabe, ey, futtert deine Hosen. Das nennt
Kerndörffer die Lehre vom Kleister. Das nennt
im gelben Winter man man. Das nennt
man Versschinden (weiß) im Grenzland. Das nennt
Ornament.
30. Januar 2019 17:49