Mirko Bonné

Immortelle

Dass
du
nie
tot
bist
Kind
als
Baum
Immortelle
Stern
aus
Stroh
hell
zart
grün
mein
Staubgeselle
der
nicht
stirbt
zeig
(sag)
mir
den
Grund
Immortelle
Sonnenzitadelle
Immortelle Immortelle

*

2. September 2019 23:41










Christine Kappe

Licht
ist ein Pfeil
im Nebel der Erkenntnis
plötzliche Sortierung meinerseits
damit einhergehender Sprachverlust
Verbindung deinerseits
„Ich kenne das noch…“
das ist dein Gebiet:
Hinauszögerung des Todes
so gelingt es mir
(noch) prosaischer zu sein als du
einzige Hilfe:
mäßige Bewegung mit nicht zu vielen Eindrücken
treffe die Hausmeistertochter
die eine Frau ist & eine Fahne hat
die Kinder graben das Haus aus

7. September 2019 21:55










Christian Lorenz Müller

AUS DEM PERSONALBÜRO EINES POETEN

Das Nomen
Sitzt hinter seinem Schreibtisch, steht an seiner Werkbank über die Jahre. Setzt gerne Fett an, wartet gutmütig und träge bis zu seiner Pensionierung oder vorzeitigen Entlassung. Adjektive zaubern ihm Farbe ins Gesicht, Verben bringen es ein paar Sätze lang auf Trab.

Das Adjektiv
Ist oft zu konventionell oder viel zu schrill. Hat die Angewohnheit, sich sofort dem stärksten Nomen um den Hals zu werfen, ganz besonders dann, wenn es paarweise oder in Gruppen auftritt. Trotzdem absolut unentbehrlich. Ein, zwei originelle Adjektive, und alle anderen Wörter lockern die Krawatten, lächeln und gehen gerne wieder ihrer Arbeit nach.

Das Verb
Kann keinen Moment lang stillsitzen. Hält die Hauptwörter in ständiger Bewegung, vertreibt die Adjektive vom Kaffeeautomaten. Sorgt unnachgiebig dafür, dass eine angefangene Sache bis zum Punkt kommt.

Das Adverb
Unscheinbar und bedürfnislos. Assistiert dem Verb bis zur Selbstverleugnung. Tritt kaum jemals in Konkurrenz zu seiner lauteren Kollegin, dem Adjektiv.

Die Konjunktion
Zeigt keinerlei Eigeninitiative. Wird nur dann lebendig, wenn es etwas zu verkuppeln gibt.

Die Präpositionen
Ungeliebte Laufburschen, die oft an der falschen Stelle stehen. Werden meist sträflich vernachlässigt. Erhalten sie nur ein wenig Aufmerksamkeit, tun sie klaglos ihren Dienst.

Die Interjektion
Riecht nach Heu und nach Mist. Abstrakte Begriffe rümpfen in ihrer Gegenwart die Nase; alle anderen Wörter erinnern sich wieder daran, woher sie kommen.

14. September 2019 11:36










Hendrik Rost

Idiom

Meine Freunde sind Idioten
geworden. Ich bin mit Idioten
verwandt, meine Feinde sind
Idioten. Was für ein Segen
für Idioten wie mich, sich nicht
mehr verstecken zu müssen.

16. September 2019 07:19










Tobias Schoofs

SANTIAGO

ein freilicht-museum für ortho
pädie man grüßt mit der krücke

wie geht es? der reinste zynismus
man bekommt eine ganz neue sicht
aufs aua aufs leben auf aua die füße

das wort blase geht um wie die pest
und foot massage ist thema nummer
eins in der schlange am fahrkarten

schalter nächstes jahr knieschaden
in fátima? geh mir weg du christ!

20. September 2019 17:52










Hendrik Rost

Parolen als Platzhalter

„Wirsing ist für alle da“ –

an einer Hauswand

„Wirsing ist Liebe“ –

auf einem Briefkasten

 

Hamburg, September 19

 

 

 

 

22. September 2019 07:32










Christine Kappe

Sieh es mal so

Wir sind Wirsing – Wirsing ist Liebe
Wir sind für alle da
Wir-singen-Liebe
Wir sind die Buchstaben dort auf der Wand
Wir sind der Briefkasten:
Der Brief ist die Liebe
Wir sind nur Buchstaben
Die leuchten, wir schlafen
Wir grünen, die schwärzen
Wir wünschen, sie wechseln und wenden
Wir fühlen – sie enden

23. September 2019 07:22










Björn Kiehne

Wir hören den Wind

Die Pappel im Hof
rauscht wie das
Meer,
aus dem Himmel tropft
Blau.

Wir sitzen einander
gegenüber,
ich,
ein Archiv
unveröffentlichter
Geschichten,
du,
der Reiseführer
in eine unsichtbare
Stadt.

Wir fragen uns,
wie viele Menschen
wohl jetzt
wie wir
in der Küche sitzen,
den Herbst einsammeln,
in die Fensterbank legen,
sodass das Licht
mit ihm spielen kann

27. September 2019 11:03










Hendrik Rost

Vielleicht Vogel, vielleicht Süden

28. September 2019 07:26