Mirko Bonné
I will walk and talk in gardens all wet with rain
Van Morrison
In der Nacht
auf einmal
der Regen,
Rauschen, der
Geruch. Kein Vogel
mehr sang, dafür jetzt
er, Regen spielte rasselnd
auf seiner Konzertina,
ich bringe Wasser,
sang er, schon komisch!
Er sang: Dann hast du es nasser.
Gib du mir dafür Augen,
ich bin ja so blind
wie der Wind!
Ich trat auf
den Balkon, wusste
auf der Stelle, was er meinte,
jemanden wie mich wollte er sehen,
in meiner ganzen unwahrscheinlichen
Pracht mich, durchnässt bis
aufs Geäst oder besser
die Knochen, gut,
um die ging es
weniger, weil Knochen
braucht er anscheinend keine.
Hat der Regen etwa Beine?
Nein. Ich fragte ihn, ob
er festhält an uns.
An euch, sang er, was!
Euch, weshalb denn das!
An euch Verwüstern, euren
vertrockneten Flüssen und
Trockenfutterbetrieben?
Halten? Hab ich Hände?
Von wegen! Ende Gelände!
Ihr solltet alles lieben, oder
verdunstet, Himmel eins.
Haut ab! Festhalten!
Vorbei, sang der Regen
und tanzte zu seinem Lied
auf der finsteren Konzertina.
Nur ich würde ihm fehlen,
rief er. An dir, ja an dir
halte ich fest, bis der Tag
es wieder Tag sein lässt –
und er klimperte weiter,
Tropfen für Tropfen,
heiter das Regenlied,
glücklich und lebendig
mit unsichtbaren Fingern
auf seiner dunklen Konzertina.
*
2. Januar 2020 18:42
Hans Thill
Zwanzig Zwanzig
Zwei Schwäne der Generation Z
wann wann auf einem stillen
See, doch bereits im Dorf der Vögel
nimmt die Zeit Reissaus in Richtung Cis.
Wir heissen Findefinger allweil
bei den Geschwistern Grimm.
Nu mach mr heeme
Twenty Twenty
Twitt twitt, costumers of all years
say hello to the seasons! Times
when two birds majestically swim
through Little No Swans. Many
of course, are going home there
like a wandering zet
to the twins
Vingt Vingt
Viens-donc fais-le, fais ton zet juste
sur le lac, il y a un pacte entre deux
cygnes et un ciseaux. Chacun à trouver
son trou aux bords du village des oiseaux
nomen est ombre. Tu te nommais
temps d´antan, tu te nommais
soin soin
dwaceći dwaceći
Kołpaj generacije Z
něhdy něhdy na měrnym
jězorje, tola hižo we wsy ptačkow
ćeknje čas w směrje na cis.
Mjenujemy so porsty namakanja přeco
Pola bratrow Grimmec.
Nět ha du dom
(Sorbische Fassung von Roža Domascyna)
4. Januar 2020 17:24
Mirko Bonné
Albert Camus und Michel Gallimard
Heute vor 60 Jahren sind die Beiden verunglückt.
*
4. Januar 2020 22:11
Christine Kappe
Die Träume sind es nicht
Vor allem wenn man in der Jetztzeit die Bornumer Straße entlangfährt, mit dem Rad
Was bringt Menschen dazu, hier zu wohnen?
Das muß absolute Verzweifelung sein
Doch so verzweifelt sieht der junge Mann gar nicht aus
Er schiebt einen Doppelkinderwagen in Richtung Baumarkt und lächelt dabei
Aber nicht die Kinder an
Und auch nicht mich
Die furchtbare Luft ist es nicht
Windstille, Nieselregen, 12 Grad Celsius, kein Blatt an den Bäumen, kein Hauch
Des Lebens
Niemand ist wirklich
Hier
Niemand
Und… wo will er hin?
Wo, verdammt nochmal, will er hin?
13. Januar 2020 01:08
Tobias Schoofs
zombies betreten das kauf
haus sie nähern sich fressen
das leben wo sie es finden
und da es zombies sind
fragen sie nicht ob es weh
tut ahimsa ist nicht das
prinzip ihres daseins
19. Januar 2020 15:21
Christine Kappe
Menschen und Möven, April 1993
(Abtönfarbe auf Pappe, 80 x 120, Original durch Unwetter 2009 zerstört)
26. Januar 2020 20:49
Mirko Bonné
In den Büchern von dir
Unruhe und Gesicht
immer noch die Lese
-zeichen in Streifen
zertrennte Matrizen
der Geschäftsbücher
meiner Großeltern
in Litzmannstadt
dem umbenannten
überrannten Łódź
Beide sind sie tot
so wie du Tadeusz
Und ich lebe Lese
Zahlen und Ziffern
Tara Saldo Skonto
Zahlen 1941 1943
In ihren Ordnern
für Außenstände
Mahnungen uner
-ledigte Transfers
sind abgeheftet
meine Gedichte
Entwürfe datiert
Juni 91 Mai 93
Ihre Hochzeit
1940 in Łódź
ihre Gesichter
die Heiterkeit
meine Unruhe
Haben und Soll
Soll und Haben
das Gespenst
das ich erbte
Gespenst des
Nichts Nichts
*
Aus: Różewicz-Lieder
27. Januar 2020 17:50