Mirko Bonné
Könnte ich Henry Miller einen Brief schreiben,
mit der klaren Absicht, ihn überzeugen zu wollen
von der Irrigkeit seiner Annahme, es gäbe keine
lebendigen Vergleiche naher Dichtung mehr, ich
würde ihm Sylvia Geists „Veränderung“ zitieren,
das Leben einer Eintagsfliege, o schöne Fliege,
würde ich sagen, und da bin ich, der beobachtet
sie, bezieht das kurze filigrane und vergebliche
Leben auf sich. Henry, schriebe ich, komm, bitte
sei nicht so unerbittlich. Wir versuchen unser
Bestes, und wir wissen ja, schwer ist es hier,
aber noch immer gibt es Augenblicke, in denen
ist alles anders. Begreifst du das denn nicht?
Ich weiß, sie weiß, alle wissen wir inzwischen,
wir müssen uns verändern. Ja. Hier ist die Welt.
*
6. Juni 2024 00:13
Björn Kiehne
Sonntagmorgen, die Clubs sind zu,
auf der Autobahn rauscht kein Verkehr,
nur die Blätter der Pappel im Hof
rauschen wie ein endloses Meer.
Auf dem Küchentisch liegen Wörter,
fein säuberlich geschnitten aus Papier,
bilden Sätze, Zeilen, Geschichten,
über die Welt, erzählt von dir und mir.
Eine Amsel singt, eine andere antwortet,
wir ahnen, wir glauben, wissen schon,
unsere Gedanken auf ihren Liedern,
die Welt, ein verhallender Ton.
16. Juni 2024 06:22
Christian Lorenz Müller
Aber noch immer gibt es Augenblicke,
in denen ist alles anders, jener Moment,
in dem die Zahl der Eintagsfliegen
mit dem der Photonen übereinstimmt,
das Licht sich in den Abend erhebt
statt aufs Wasser zu fallen,
in Wellengestalt flussaufwärts zieht,
Teilchen neben Teilchen, Veränderung
ist in jedem Flügelschlag,
in jedem kurzen, filigranen, vergeblichen Leben.
19. Juni 2024 09:10