Hans Thill

Schiller Karaoke

2
Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus.

Nix, härene Braut, reut uns am Stück, mal als Zeugen mal
wie echte Gäste als steigende Zier

und Bereitstellung eines Herrgotts aus Herne, zerzaust taucht
er auf aus eigenem Beton. Nie röhrt in der Früh die Bronchie
des Herrn Ernst, niemals wäre ein Brot schon geerntet,

ein Eisen schneller gerostet als gezeugt.

4. Oktober 2024 10:43










Mirko Bonné

Migo

Hedva Harechavi
Migo

bringt meinen Migo wieder
bringt mein Heiliges wieder
bringt meinen Orakelstern meinen Augenstern wieder
bringt mein wunderschönes Ewigkind wieder
Indianerengel mein
Weltherr mein
bringt meine Nachtleben wieder
Nächtlein um Nächtlein mein
kriechen laufen rennen tanzen singen ganze Nacht meine
bringt meine Seele wieder
Kopfherzblutknochen mein
Hungerunddurst mein
Lichtundsiege mein
Haus mein
aus meinem Zimmer die Wärme mein

bringt wieder worüber ich nie gesprochen hab
den Moment
diesen einen
dort
wie dort
drei Uhr morgens
am Ufer eines gewaltigen Sees
und keinerlei Aufsicht auf Erden
und keinerlei Aufsicht im Himmel

und der Walfisch fragt: „Wie? Ist es wahr? Alle Ozeane
haben keine einzige Wand?“

Aus dem Hebräischen von Yevgeniy Breyger

*

7. Oktober 2024 17:34










Hans Thill

Schiller Karaoke

3
Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher,

Anderntags holt sich der Plutoniumhund wieder das Scherle
und schneidet aus Blech die Lyrik zum Fraß. Sternköter
faß! Stapelte Teller und Scheiben noch bis zur Sonn, da es
dunkelte, ein Migo läge im Schatten,
der Motor des Zu-sehr.

Überaus gelobtes Lügenbegehr, welche
Locke langte wohl an den satten
reinlichen Schächer
rechts von der
Leiter.

Nur erschossen ist bereits einmal erreicht.

12. Oktober 2024 14:37










Björn Kiehne

Türkischer Tee

Ich setze mich zu den Männern ins Café,
die Sonne wärmt den Platz und mein Knie,
das noch vom Spaziergang schmerzt.
„Jetzt bin ich alt“, denke ich bei mir.

Eine Möwe fliegt über den See, nimmt meine
Gedanken mit zu Anand, der im Tropeninstitut
an einem Virus starb, das seine Leber aushöhlte,
bis sie nichts mehr war als ein nutzloser Schwamm;

zu Nyan-Soe, der daran starb, dass er liebte.
Die Lungenentzündung nahm ihm die Luft zum Atmen,
mein Geld für seine Behandlung bezahlte die
burmesische Bestattung mit Mönch und Feuerwerk;

zu Roberto, der TikTok mit Videos füllte.
Ein Weichteiltumor, nussgroß, streute die
hungrigen Kinder in seinem Körper; vor den
Augen der Familie fraßen sie ihn langsam auf.

Die Möwe kehrt zurück über den See.
„Alle, die ich liebe, werde ich verlieren“,
denke ich bei mir, blinzle in die Sonne,
nicke dem Tod zu und trinke meinen Tee.

15. Oktober 2024 23:31