Christian Lorenz Müller

GROSSARTIG BEFUNKELT VON 50 STERNEN

Dieses Gedicht fragt nicht nach Zustimmung,
Ablehnung, es arbeitet allein mit poetischen Dekreten,
die Agentur für sprachliche Entwicklungszusammenarbeit
hat es gerade aufgelöst, die Konsonantenschutzbehörde
zugunsten der Vokale zurückgestutzt, dieses Gedicht
will überall dort, wo es gelesen wird, zahllose Ahs und Ohs,
es lässt die Fragezeichen jenseits des Rio Grande
in der Wüste verdursten und lädt jedes Ausrufezeichen
durch wie eine Winchester, es will ein Dutzend
Inuit-Wörter für Schnee okkupieren, es will eine Residency
für Milliardäre mit Hang zum Haiku in Gaza-Stadt
und lässt sich von Tech-Boys täglich Metaphern schenken,
die Taille der großen Wassersanduhr, unser Panama-Kanal

etwa stammt von einer Farm im Mittleren Westen
auf der über 30.000 Server grasen,
dieses Gedicht schreibt sich täglich
auf den weißen Stripes der Flagge fort, auf Zeilen,
es lässt sich von nichts inspirieren außer von sich selbst,
jeder Satz großartig befunkelt von 50 Sternen.

12. Februar 2025 09:07










Björn Kiehne

Der Mond

Aus meiner Küche

habe ich den Mond

aufgehen sehen

über dem Dachfirst

vom Vorderhaus,

dahinter die Straße,

dahinter die Stadt,

dahinter die Welt,

er hat sein Licht

über alles fließen

lassen: dich, mich,

und die Entfernung

zwischen uns.

16. Februar 2025 11:13










Mirko Bonné

Das Kommende

Allein in dem Palast, aber über den See kommen die Lichter und scheinen nach einer Bleibe zu suchen. Dunkel wie die Täfelung ist das Wasser, eine Stille unterbrochen nur von Kühlaggregaten. Wenn ich hinunter zum Seeufer gehe, muss ich in Schlangenlinien gehen. Und weiß schon auf den Serpentinen, dass unten niemand sein wird. Dann blick, sag ich mir, über den schwarzen Spiegel, schon schimmert darin das Künftige auf – wohin ich mich auch wende, die Nacht, die Widerspiegelungen, alles Zukunft. Ich möchte sofort ein Gespräch mit einem Freund führen. Ich bin ohne Töchter angekommen und ohne Hast, mein Zimmer hat Sarggröße, aber über dem See liegt weiter das versöhnliche Dunkel. Berliner weltverengendes Gespräch ohne Vorstellung, wie es irgendwem geht. Häppchen Chicoréeschiffchen.
Ein Freund sagt dir endlich ernste Worte, bevor er aufbricht zur U-Bahn, weil es keine Betten gibt. Jenseits der moosigen Bahnsteige das Seeuferdunkel. Licht leuchtet, wo geschlafen werden muss. In diesem Palast habe ich mit dem Mondgesicht getanzt, hier war die Vergangenheit jedes Mal zu Ende und hängen immer noch Trugschlüsse an den Wänden. Und auch darin schimmert das Kommende auf.

*

18. Februar 2025 19:55










Christian Lorenz Müller

NÄCHTIG VERTÄFELTES VERTRAUEN

Dieses Gedicht ist ganz anders,
es baut sich eine Hütte in silberndem Mondlicht,
haust in seinem Eskapismus und innerlicht
seine langjährige Partnerin, die Romantik,
vor einem Caspar-David-Friedrich-Felsen
von Altar, es kocht sich sein eigenes Süppchen
mit selbst gezogenem Sellerie, Schnittlauch,
schlürft das Einfache mit Behagen
und knabbert einen Kanten Trost dazu,
dieses Gedicht widern die Kerle,
die gerade die Welt unter sich aufteilen, wirklich an,
es verliert sich verzweifelnd
ins mondrund-milchige Zwischenreich,
in nächtig vertäfeltes Vertrauen,
es metaphorisiert sich erleichtert fort
aus scharf umrissene
m Tagesdunkel.

20. Februar 2025 10:03