Christian Lorenz Müller

mecklenburg

nichts hindert hier den himmel daran maßlos zu sein
alles wirft sich flach zu boden steht nie wieder auf
vor der blassen mächtigkeit dieses blaus
der nüchternen majestät dieser wolken
ihre schatten bewandern die wälder
schon setzen sie ihren fuß in die ferne
gewohnt ihr weiß an keinen gipfel hügel
verschwenden zu müssen
jeder morgen ist ihnen ein kammerdiender
der tausend seen spiegelig bereithält
schwarzerlen rahmen das sanfte wasser
still duldet es von schleuse zu schleuse
stürzt nicht schäumt nicht gurgelt nicht
zeit über die ungehörigkeit der wellen nachzudenken
die bewegung den aufruhr der nahen großen stadt
der noch kein beweis für leben ist
zeit wolkig zu sein zeit vergebens nach den grenzen
von wasser und land zu fragen
ein könig unter königen zu sein
im reich der flachen ferne

16. September 2025 09:13










Mirko Bonné

Das Fräulein Wieck

Wie eine Blüte in einer
Sommernacht, nur dass
die linde Sommernacht
gespenstisch ist. Erst

Triller, dann Phrasieren,
Schaben, Schurren, Stop.
Leicht verzögert, immerzu
aufs Neue Kinderspiele.

Sitzt es so am Pianoforte
und spielt, scheint es ihm
durch Laubwerk zu hüpfen,
als huschten da lauter Vögel.

Das Kind spielt sechzehn Mal
berückender als er Beethoven.
Zur Klaviersonate f-moll, der
Appassionata, lächelt sie.

Nur einmal beißt sich Clara
im Allegro assai in die Hand,
der Bruchteil einer Sekunde,
in der die Zeit

                   Keiner, nur er
spürt den Hauch Stillstand.
Da zersplittert sein Glaube,
er wüsste etwas von Musik.

*

23. September 2025 22:13










Christian Lorenz Müller

seenplatte

gegen abend der suchende blick zum ufer
erlen kiefern eichen erlen erlen
undurchdringlichkeit hinter einem staketenzaun aus schilf
schlechte nachbarschaft von wasser und land
die löcher lücken anfangs nicht mehr als eine ahnung
die sich erst beim näherkommen zur gewissheit auftun
zu einem streifen sand einer winzigen bucht
einem kajakschmalen durchgang zu einer grünen höhle
in der schon vor jahrmillionen menschen lagerten
sorgfältig von zweigen und zapfen gereinigt
ein fleck von zwei mal zwei metern
für die die decken schlafsäcke das zelt aus rentierhaut
aus baumwolle polyurethanbeschichtetem polyester
und die kokeligen überreste eines feuers
über dem eingeweide kochten graupen fertigsuppe
nachts das knacken und huschen im wald
die finsternis die schon im gehörgang beginnt
die dämonen geister teufel serienenmörder
die mit der kälte der frühen morgenstunden weichen
alle träume haben weite ufer
enden an erlen eichen kiefern schilf

26. September 2025 08:45










Markus Stegmann

Brot

Heute lief die Welt mir zu

bat um ein Stück Brot

bat um eine Stunde Ruh

Atempause in der Not

27. September 2025 20:15