Mein Zerfall geht rasch vor sich. Sobald wieder Sonntag ist, beginnt auch wieder mein Zerfall, ich setze mich auf, ich setze mich auf die Bettkante, ich möchte mich aber lieber gleich wieder hinlegen, das darf ich jedoch nicht, sonntags darf ich nichts, der Zerfall geht voran. Ich nenne gleich Beispiele. Der Zerfall, wenn mir überhaupt noch erlaubt ist, aufzuzählen, was ich nicht darf, hält mich von allem ab. Meine sieben Töchter bilden eine Interessengemeinschaft mit dem durch ständige Wiederholung offenbar inzwischen hinlänglich beglaubigten Ziel, die Ansprüche an meine Person in jene Höhe zu schrauben, die eine Erfüllung verunmöglichen, scharfe Kritik an meiner Person jedoch jederzeit angezeigt sein lassen. Am Montag ist dann alles wieder vergessen, aber Montag ist selten. Seltener als Sonntag. Das Elend einer Kleinfamilie mit sieben Töchtern. Ich komme gleich darauf zurück. Später. Später, wenn ich alles darf, werde ich auspacken. Der Beifall, den meine sieben Töchter meinem Untergang spenden, übertönt alles. Ich entkomme nie. Auch nicht mit einem Kopfsprung, Ich werde, wenn die Töchter einen Moment lang in ihrer Aufmerksamkeit nachlassen, werde ich eine Qualifikationsoffensive beginnen. Sehen die Töchter hin? Aus meiner dann gewonnenen Überlegenheit werde ich alle Sonntage retten, keine Spaziergänge, keine Hitparaden, keine Telefonate mit Mama oder Grossmama, saukomisch, wie alles anders wird, ich spaziere allein, liege im Bett, meine sieben Töchter üben einen Choral, der sich anhört, als hätte ich vierzehn Töchter, die Sonntage sind dann noch viel unerträglicher als die Vorstellung erlaubt, und mein Zerfall ist ein restloser, keine Beschreibung kann davon angemessen Zeugnis geben, ich sammle alle Anzeichen eines möglichen Aufschubs, vergebens, ich habe mich zur liebevollen Selbstbeobachtung erzogen und muss nun mit ansehen, was ich mit „Zerfall meiner Person“ nur unzureichend bezeichnen kann und auf keine Fall hinnehmen will, wogegen ich mich also mit aller mir verbliebenen Energie zur Wehr setze. Ich werde darauf zurück kommen, wie gesagt, später, soweit meine Kräfte es erlauben und mein Zerfall eine sprachliche Bewältigung überhaupt noch zulässt, später, falls je wieder mal Montag wird.
10. August 2010 18:00