Mirko Bonné
Billy Shakespeare
Der kleine Billy lief hier übers Gras,
vorbei an Schlüsselblumen, Ringelblumen,
an der Mauer dem Goldregen und Wein,
nichts weiß die weite Welt davon.
Shakespeares Kindheit und Jugend,
ein dunkler Garten. Er hat Luftwurzeln.
In die matten Bleiglasscheibchen
eines der alten Fenster in Stratford
sind hunderte Signaturen geritzt,
Hardy, Scott und Charles Dickens,
Keats kam 1817 her, gerade 22,
fleißig feilend am Endymion.
William Shakespeare, Gentleman,
kam mit 28 zur Welt, verheiratet,
groß wie die Tür seines Elternhauses,
um die sich eine Heckenrose rankt.
Raute, Lavendel, Rosmarin, die Lilien,
altgeworden, sah er den Garten wieder.
Durch die Namen im Fenster sehe ich
die alte Henley Street: ihre Shops,
Souvenirbuden, Geldautomaten.
Nebenan vorm Dichterzentrum
knipsen asiatische Reisegruppen
elisabethanische Schaufensterpuppen,
während unter dem Quittenbaum
voll gelber runder Quittenplaneten
ein Schauspieler in Pumphosen
indigniert Hamlet deklamiert.
Er schwenkt einen Plastikschädel
über Maiglöckchen, Waldgeißblatt,
wildem Thymian und Veilchen.
Hier lief der kleine Billy übers Gras.
Er kannte alle Blumen, und jede Blume ihn.
*
5. Oktober 2010 22:04