Gerald Koll
Das fünfzigste Jahr (134)
24. Januar 2016, ein Sonntag
Beim Aufwachen träumte mir, ich habe der Kielerin N.J. Geleit gegeben, die allerdings ein wenig zarter und dünnblättriger wirkte als die irdische und erdige N.J. Ich fragte sie verhohlen lauernd (denn insgeheim begehrte ich sie), ob sie in letzter Zeit denn einen Mann zum erotischen Verkehr gesucht habe, annehmend, dass sie seit langer Zeit singulär sei. Das habe sie in der Tat, antwortete sie, es handele sich um den Barmann im Restaurant „Sarah Wiener“, dem bekannten Etablissement, worauf wir also gleich die besagte Lokalität neben dem Berliner Museum „Hamburger Bahnhof“ ansteuerten. Es hatte sich sogar ein kleiner Zug von Paaren hinter uns gebildet, deren Zusammenhörigkeit mir nicht klar war. Meinen leisen Verdruss überspielend, suchte ich nach einem Scherz, als wir das hellgoldige Vestibül betraten und nach dem glücklich Verehrten spähten, und kommandierte sektlaunig heiter, als wenn ich berufen sei, den Zug zu führen, hier ginge es nach links. Die Karawane hinter mir nahm es heiter, ich spähte weiter, doch bevor ich den Barmann ausmachen konnte, löste sich der Traum auf wie eine Blase, die an der Wasseroberfläche zerplatzt. Ganz kurz noch konnte ich festhalten, dass N.J. sich tatsächlich deutlich von der wirklichen N.J. unterschied, aber auch deutlich von Frau S. Mir war das peinlich, als würden mich solche Träume demaskieren.
Es ist noch vor 9 Uhr. Draußen ist der Schnee geschmolzen. Alles nass, nichts mehr weiß.
Hagners Buch Der Geist bei der Arbeit endet mit der beruhigenden wie enttäuschenden Erkenntnis, dass es derzeit nicht möglich sei, mittels wissenschaftlicher Messung dem Geist bei der Arbeit zuzusehen. Das hätte er mal gleich aufs Titelblatt schreiben sollen.
24. Januar 2017 12:28