Andreas H. Drescher
Das warme und das kalte Gras 10
Fallendes Gras und die Geräusche der Sense sind an diesem Morgen die einzigen Lungen der Gegend, als der Schnee aus Westen keine Vermutungen mehr hatte und niederging ohne zu welken. “Verteert liegt das Meer,” fressen Unsrige in den Morgen, aber sie haben keinen Kopf, um ihre Augen zu kühlen.
Also lausche ich der Thermometersense hinterher, die sich anhört wie und die sich Lungenbläschen anhört, kristallines Exxon vor Galapagos, Quecksilberechsen als die letzten Straßenbauer über Ozeane. “Gehörst du uns?”, fragen sie vor der Mittagspause – und löffeln bereits zum Dessert Gemeinsamkeit.
Das Meer der Mittage erwidert: “Zuviel Falschmehl hängt am Himmel und keine Hoffnung auf den Sommer.” Wir entkernen perlende Tabletten, während die Herkunft der Strasse schweigend zu uns herübersieht, sich über den Schnee des Westens beugt und “Lehnt euch nicht nach vorn, es fehlt der Abstand zum Denken,” spricht.
So springt der Zeiger von Dessert auf Vorspeise zurück, von Dessert auf Vorspeise – und wir bleiben selbst im Teer noch Fischer. Lungenfischefischer, die den eingeperlten Schotter lustig aus den Netzen schütteln, die nach Kiemen Ausschau halten, um selbst Tanker damit zu bestücken. Aber Obacht! Tanker sind für ihre Denkfaulheit bekannt.
“Ist egal,” sagen sie und sitzen um ein Feuer auf der Strasse der Herkunft, während über ihnen die Luft aus schweren Kiemen atmet, aber kein Bäcker erscheint, um “Vorsicht,” zu flüstern, “es kommt ein Ball”. “Egal,” dreht der Wind am Bosporus, deine Tanker kommen nicht mehr und unsere Zeiger springen zurück auf Null.
Und wenn das Feuer die Straße selbst wäre? Und die Straße leergefischte Küsten? Wie hoch ragt der Kiementanker, um Null, um Eins, um Null? Wie hoch ragt er, um dir als Jason, um dir als Byron, um dir als Kemal einmal ist keinmal den Scheitel nachzuziehen? Der Ball als Kugel, als Klumpfuß, als Goldklump, also Gier, Gier und Gier?
“Von innen ist die Nacht grün und grasig,” schwimmt ein Halbsatz als Fackel aufs Meer, über Wellen und Wogen, verfängt sich am Leanderturm, die trübe Silhoutte im Regen. Liebe ist Wasser und fliesst fischlos von uns fort, noch ehe wir sie fassen. Weder Gelände noch mattierte Augen heben den Grund des Meeres, als einer von uns schreibt: “Endlich vor uns ein Archipel, aber kein Herz mehr, keine Augen.”
Geblendet von der Thermometersense, zu lange gefackelt. Wo Augen waren, ist jetzt nur noch Gras. Und wo Gras ist, macht es auf Gelände. Wer schiebt und schreibt das Archipel? Einer von uns, wer immer von uns einem. Wer von uns wirft die “Exxon Valdez” als Fisch ins Meer zurück? Vom Bligh-Riff bis Galapagos? Wir eins alle haben sie als “Dong Fang Ocean” zum Ozean selbst umgemustert.
“Keine Tiefsee, kein Thermometer, was hier schwimmt, trägt nicht mehr,” vermuten Unsrige, kippen einen Klaren und seilen sich vom Leuchtturm ab. Keine Dioden haben die Schädel im Angesicht, aber unsere Stirnen fixieren sie, so stumm werden die Gespräche, als senkte sich der Hauch der Vergangenheit auf unser Grab, das noch nicht mal gestorben war. Aber der Hauch, der ist schon da.
Bärtige Rapunzler am Grasseil ihres Abstiegs. Schädel, Quadratschädel, Kubikschädel. So hängen sie, diodenhell, als ihre eigenen Körbe da. Ein Knistern unter ihren Hintern. Sehr feines Fischmehl stäubt am Turm entlang. Lungenfischefischerlugen durch die Ritzen. Bäcker unter ihnen. Die warten schon, um sie in Papiertüten abzufüllen. Aber nicht ihr Hintern, sondern ihr Klumpfuß ist das Erste, was durch diesen Korb bricht.