Andreas H. Drescher
GARBOS LEVITATIONEN
Jede Aufnahme, die sie zeigen soll, ist hoffnungslos verwackelt. Und doch sind hinter den Schmierfilmen auf Film und Film und wieder Film ihre großen Augen zu erahnen, die jeden, dem sie je begegnet ist, sofort für sie einnahmen. Wahrscheinlich, weil ihre Pupillen so groß waren, dass kaum jemand von ihr angesehen werden konnte, ohne noch im selben Augenblick die Liebe darin zu finden, die ihm, die ihr schon ein ganzes Leben lang vorenthalten worden war. Selbst die abgebrühtesten Zicken, selbst die harthäutigsten Macker verfielen ihr stante pede.
Selbst ratifizierten Heiligen soll sie gewaltig zugesetzt haben. Wie allen anderen traten auch ihnen schon nach Sekunden Tränen der Dankbarkeit in die Augen und verwässerten ihnen nachhaltig den Blick auf sie. Kein Wunder, dass dieser Effekt sich schließlich selbst auf Kameralinsen übertrug. Alles war derart abrupt verdoppelt, dass – einmal ganz abgesehen von jeder Deuteritis – sich schon deshalb jeder so reich fühlte, den dieser Blick traf, auch emotionale Minimalisten.
Selbstverständlich blieb ihr selbst diese Wirkung vollständig verborgen. Das war der Anteil ihrer Seele an ihrer Kurzsichtigkeit. So war es ihr schon vom Ansatz her unmöglich, die Hoffnungen, die sie ausnutzte, auch nur im Geringsten auszunutzen. Nicht nur, weil sie ihrer Bewunderer nicht ansichtig wurde. Nein, selbst da, wo die schnell genug aus ihrer Sprachlosigkeit fanden und ihr noch ein paar Schritte hinterher stolperten, um adhoc-Liebeserklärungen abzustümpern, verloren sie sich bald im Übermaß dieser heillos vermehrten Umgebungen.
29. Oktober 2009 00:34