Mathias Jeschke
Ich lese in mir
Ein großformatiges Buch liegt
aufgeschlagen vor mir,
ich blicke auf das in einer halbwegs
senk- und waagerechten Struktur
sortierte Getümmel,
Collagen aus eingeklebten Texten,
Buchausschnitten, Zeitungsartikeln,
teilweise mit Fotos versehen,
Zeichnungen, die ich einst angefertigt hatte,
manche stammen auch von anderen,
von Pinseln hatte ich ja kürzlich geträumt,
gepresste Blüten und Blätter oder Federn,
von mir oder dir gesammelt,
Zeilen in meiner Handschrift,
immer wieder Zeilen in meiner Handschrift,
manche verwischt oder sonst unleserlich,
über einige krabbelt ein Käfer hinweg,
so ein Zierlicher Buntgrabläufer, glaub ich.
Ein wenig Sand rieselt auf die Tischplatte.
Das Holz ist warm, meine Hand liegt darauf.
Wer kommt, um sie zärtlich anzusehn?
Es handelt sich um eine intime Situation,
japanisch irgendwie,
wie in einem Nistkasten vielleicht.
Jedenfalls ist niemand sonst hier bei mir.
Und niemand sonst wird dieses Buch
je zu Gesicht bekommen.
Aber es leuchtet mir ein, wenn ich
die nächste Seite aufblättere,
wann immer das sein wird
und es mag einige Zeit dauern –
wer will, soll sich gedulden,
denn ich bin hier noch lange nicht fertig! -,
dann wird sich mit einem Mal –
und dabei wird die Farbe Schwarz
einen eindrucksvollen Auftritt haben:
Szenario aus Seide und Katano –
alles verändern.