Hendrik Rost
Kleine Theologie
Ich versuche, die Fliege zu fangen,
aber die Fliege sieht das anders.
Ich habe es noch nicht begriffen.
Der Käse, auf dem sie sitzt, ist
schon etwas älter und wellt sich
an den Rändern. Ihr ist es egal.
Ihr Rüssel speichelt seelenruhig
auf das Milchprodukt. Ich nähere
mich hinterrücks und weiß, Augen
mit Flügeln und Beinen sitzen da;
so gut wie unmöglich. Aus ihrer
Sicht ist alles absolut köstlich
und wert, ein Leben zu riskieren.
Meine Hand schwingt ins Leere –
das Schlagen, Fliegen, Schwelgen,
alles passiert in einem Augenblick.
Dann ist sie wieder da und reibt
die Hinterbeine auf der Scheibe
Käse. Sie triumphiert und spottet.
Damit kann ich leben. Sie vergibt.