Thorsten Krämer
Meine erste Büchnerpreisrede
war voller Fehler. So behauptete ich, dass Helmut Heißenbüttel im Krieg seinen rechten Arm verloren hätte, dabei war es der linke. Ich zitierte den Satz: „Verwechseln Sie, was ich zu sagen versuchen werde, nicht mit Eindrücken‟ und schrieb ihn Marie Luise Kaschnitz zu; dabei ist er natürlich, wie alle Welt weiß, von Ingeborg Bachmann. Der Spott blieb nicht aus: „Dichter verwechselt rechts und links‟, titelte die BILD-Zeitung; bei den RTL-News wurden vor dem Wetter spaßige reaction videos einiger besonders gehässiger Kolleg*innen gezeigt. Ich reiste nach Hagen und ließ nichts mehr von mir hören. In einer neu möblierten Zwei-Zimmerwohnung am sterbenden Stadtrand saß ich nachts wach und lauschte dem fernen Gedröhn der Autobahn. Tagsüber tobte eine Horde Kinder durchs Haus, es waren gerade Sommerferien. Ich fühlte mich erstaunlich gut. Schließlich griff ich zum Handy und rief B. an. Den Inhalt unseres Gesprächs kann ich hier nicht wiedergeben; jedenfalls war eine Folge dieser denkwürdigen drei Stunden, dass ich am nächsten Tag meine Sachen packte und zurück nach Wuppertal fuhr. Zu meiner Erleichterung war der Skandal längst Schnee von gestern, die nächste Sau wurde bereits durchs Dorf getrieben (die Dichterin M. hatte aus Versehen ein Sonett mit 15 Versen veröffentlicht). Ich setzte Kaffee auf und duschte lange. Dann zog ich ein frisches Blatt in die Schreibmaschine ein und begann zu tippen.
26. Oktober 2022 10:35