Gerald Koll
Memorandum an die UNESCO
„Indirekter Egoismus manifestiert sich hauptsächlich in einem abnormen Altruismus, der sogar imstande ist, etwas, was uns selber als gut und richtig erscheint, unserem Nachbarn unter dem Deckmantel christlicher Nächstenliebe, Menschlichkeit und gegenseitiger Hilfe aufzudrängen. Egoismus ist seinem Wesen nach immer Habgier, die sich hauptsächlich auf dreifache Weise zeigt: als Machttrieb, Lust und Faulheit. Diese drei moralischen Übel werden durch ein viertes ergänzt, das mächtigste von allen – Dummheit. Wirkliche Intelligenz ist sehr selten und stellt statistisch einen unendlich kleinen Teil des Durchschnittsverstandes dar. Von der Warte eines höherentwickelten Geistes betrachtet, ist das durchschnittliche Intelligenzniveau sehr niedrig. Leider wird ungewöhnliche Intelligenz – als eine seltene individuelle Eigenschaft – häufig durch eine entsprechende moralische Schwäche oder gar einen Defekt teuer bezahlt und stellt somit eine Göttergabe dar, die fragwürdiger Natur ist.“
(Carl Gustav Jung: Techniken für einen dem Weltfrieden dienlichen Einstellungswandel. Memorandum für die UNESCO. 1948.)