Markus Stegmann
Schuld am Krieg
Frau Atnan sagt, ich sei schuld am Krieg, ich allein sei schuld. Ich antworte Frau Atnan, dass das nicht sein könne, weil ich zum Zeitpunkt des Kriegs noch gar nicht gelebt hätte. Mein Leben habe erst geraume Zeit später begonnen. Frau Atnan sagt, ich sei trotzdem schuld, weil ich den Krieg im Blut hätte. Ich antworte Frau Atnan, dass ich den Krieg weder in meinem Blut wünschte noch ihn darum gebeten hätte, sich in meinem Blut bemerkbar zu machen. Und überhaupt, was solle das heissen, einen Krieg im Blut zu haben? Genau genommen meine sie: Kriegsgefahr. Von mir ginge Kriegsgefahr aus. Ich versichere Frau Atnan, dass ich in der Vergangenheit nie Krieg geführt habe und auch in Zukunft nie an Kriegsführung denken würde. Frau Atnan sagt, es sei das Potential, das an mir kriegsgefährlich sei. Ich würde von ehemaligen Kriegsteilnehmerinnen und -teilnehmern abstammen, infolgedessen sei ich gefährlich, weil ein potentieller Kriegsteilnehmer oder, noch schlimmer, ein potentieller Kriegsverursacher. Ich antworte Frau Atnan, dass sie mir bitte sagen möge, wer auf der Welt ohne kriegsführende Vorfahren sei. Frau Atnan sagt, dass sich genau damit alle Kriegsführenden reinwaschen würden und den Krieg von Generation zu Generation legitimierten.
15. Dezember 2015 22:45