Mirko Bonné
Sprühregen
Ein nackter fliederfarbener und nasser Hund
läuft durch die Stadt auf seinen kurzen Beinen.
Er sucht nach nichts – in den Lichtern am Bund
ist er daheim; einen Herrn hat er scheinbar keinen.
Und scheint er auch selbst aus Licht, ich sehe ihn.
Furchtlos, rosig, klein, so wartet er vor einer Wand
aus Chinesinnen, die vor dem Regen fliehen,
Plastiktüten, Sonnenschirme in der Hand.
Ein nasser fliederfarbener und nackter Hund
rennt über Straßen, die sich teilen und im Kreis
umwinden, Stadtautobahnblüten, blau und bunt
auf den steinernen Lichtungen Shanghais.
Sprühregen; er fährt eine Rolltreppe hinauf.
Träumend hebt er an einem hölzernen Tempel
das Bein. In allen Spiegeln hört die Seele auf –
auf der Haut duftet noch ihr blasser Stempel.
*
7. Juni 2010 12:53