Mirko Bonné

Symi

Überall der Müll des Sommers,
auf jeder Böschung eine Plastikpracht.
Weggeschmissen, plattgetreten, liegen-
gelassen und vergessen die Verpackungen
von mal Dagewesenem, nur nie Zurück-
gekehrtem, Flaschen in allen Farben,
rostzerfressene Dosen, verwaschen eine
Tasche oder zerrissen ein Koffer. Seit Jahren
am Straßenrand abgestellte Autos, Wracks, halb
ausgeschlachtet, halb verfallen, eingekackt, verölt,
beschmiert. Du gehst in die Hocke, als dir auf dem
Asphalt etwas Helles ins Auge fällt, und blickst ein
Götterpüppchen an, das nur einen halben Kopf und
keinen Körper mehr hat, dafür aber auf den Lippen
Aphrodites Lächeln. Im vertrockneten Gras liegen
in Schichten übereinander die Überreste dessen,
was nicht hineinzustopfen war in die Felsspalten
und Nischen der Mauern und der Wände aus
wieder und wieder, wieder und wieder
verbauten Brocken. In Bäumen
gekappte Leitungen, Kabelgezweig.
Am Strand eine Zahnbürstenflut, Schaum
aus Verschlüssen und Deckeln, Kappen
und Stiften, Senkeln, Knöpfen
und verblassten, blinden
Stofftieraugen.
Auf dem griechischen Eiland Symi
nur ein paar Seemeilen vor der türkischen
Küste steht in der Oberstadt des Fischerhafens
ein Haus, dessen Dach, Zimmerwände und Fußböden
wurden von einem das aufgegebene Gemäuer
nach und nach einnehmenden Baum gesprengt.
Die schöne, tief dunkelgrüne Feige wächst wild auf
Unrat und Müll, der zu den Fensterlöchern hinein-
geworfen wird – wie in einen Schacht, in dem
Verfallenmüssen und Leere zusammenfinden
und Zeit und Tod vergehen vor lauter Leben.

*

15. Februar 2015 23:33