Gerald Koll
Zazen-Sesshin (29)
Die Bühne des Sesshin zu betreten, ist ein Übergang. Nichts Halbes ist dabei, der Schritt, er wird vollzogen. Die Spitzen beider Hände-Enden berühren einander vor der Stirn, die Ellbogen sind abgespreizt. Anmut liegt in der Demutsgeste, die den Teilnehmenden dazu verleiten mag, den Ausdruck einer mater dolorosa anzunehmen in Anbetracht der Kreuzbeschwerden. Auch zur Mahlzeit frommt es den Gespeisten in Gebetshaltung der Speise zu harren. Und nur scheu aus spitzem Winkel seiner niedergeschlagenen Augen observiert der beteiligte Teilnehmende die übrigen Teile der Nehmerschaft, mit denen er nebst Mahl und Zeit und Raum ein stilles Ganzes bildet,
und er spioniert sie aus, wie das Frommeln anderen gelingt. Zu flüchtig und fahrig, um noch Demut zu bedeuten, absolviert es mancher Teil, der sich heimisch fühlt und gewöhnt ist an den Keller mit dem Ofen und Altar. Dagegen: In solistischer Parade klappt die Russin vom Ural die Unterarme ab nach Nord und Süd, maßgeschnitten schulterhoch, die Hände passgenau verleimt, die Zeigefingerkuppen an der Nasenspitze. Da erwähnt der namenlose Mönch, als eine Kelle Brei im Napf aufschlägt: den Spirit gelte es zu prüfen und der Prüfung standzuhalten oder, wenn er nicht standhielte, bitteschön auch aufzustehen und zu gehen, denn niemand wäre da, der hielte, zwänge oder bäte.
Wer von uns Dreien ist der böse Kaschperl? Er spürt es: Es gilt sich wohl zu einigen.