Gerald Koll
Zazen-Sesshin (34)
Die Stille der gestrigen Teezeremonie macht empfindlich für Geräusche. Gurgeln, Tröpfeln, Platzen von Bläschen. Die Teezeremonie zelebriert Zunge, Bauch, Speichel und Drüse. Die Reizung des Zungengrunds löst den Schluckreflex aus, dessen Vorgänge sich dem Willen entziehen. Sechsundzwanzig Muskelpaare kooperieren, darunter die Ohrtrompete, bestehend aus Spannern und Hebern des Gaumensegels. Zusammen mit dem Schlundschnürer verhindert die Ohrtrompete das Eindringen des Nahrungsbolus in die Luftwege. Bei gleitendem Schluckvorgang beträgt die Passagezeit durch die Speiseröhre zwischen acht und zwanzig Sekunden. Falscher Wille führt nicht selten zu Schluckstörungen.
Bewundernswert bleibt die Formvollendung, mit der die teilnehmenden Japanerinnen es verstehen, den geschuldeten Dank für Tee und Keks in die Andeutung einer Nackenbeugung zu übersetzen. Sie platziert den Servierenden und die Bediente auf gleicher Ebene. Die feine Dosierung der zierlichen Beugung entbindet den Servierenden jeder Reaktion, signalisiert ihm gleichwohl die befriedigende Erfüllung seines Auftrags der Eingießung. Stümperhaft bleibt die Ausführung der Geste durch die Nicht-Angehörigen japanischer Kultur. Übertriebener Dank des Bedienten nötigt den Servierenden zur Erwiderung, untertriebener Dank entlässt ihn mit dem peinlichen Gefühl geleisteten Knechtsdienstes.
25. August 2012 20:20