Andreas Louis Seyerlein

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0.05 – Vor wenigen Minuten hatte ich das Licht über meinem Schreibtisch ausgeschaltet und etwas Lebenszeit in Dunkelheit verbracht. Ich will Ihnen rasch erzählen, warum ich so gehandelt habe. Ich war nämlich spazieren gewesen stadtwärts unter Menschen in Warenhäusern und auf einem Weihnachtsmarkt, weil ich nachsehen wollte, ob sich in dieser Welt, die wir bewohnen, etwas geändert haben könnte, da doch vor wenigen Stunden durch Unterlassung entschieden worden ist, dass Bangladesh, dass das Gangesdelta in den Golf von Bengalen sinken wird. Ich dachte, das eine oder das andere sollte doch spürbar, sichtbar, fühlbar werden, ein wenig Unruhe, ein leises Klappern der Zähne vielleicht. Aber nein, alles Bestens, alles im Lot. Und als ich wieder an meinem Schreibtischs saß, war da plötzlich ein starker Eindruck von Unwirklichkeit, das alles und ich selbst könnte reine Erfindung sein. Ich löschte das Licht über dem Schreibtisch und wartete. Und während ich so wartete, lauschte ich den Stimmen der Tiefseelefanten, einem Orchester zartester Rüsselblumen, wie sie auf hoher See den Himmel lockten. Und als ich das Licht wieder eingeschaltet hatte, saß ich dann noch immer vor dem Schreibtisch, die Hände gefaltet. – Schnee fällt. stop. Langsam. stop. Leise. stop. – Ein gutes, ein nachdenkliches, ein glückliches Jahr 2010!

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3. Januar 2010 18:25