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Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Der GOLDENE FISCH durchschwimmt die Nacht der Museen. 9 Autoren unseres Forums (20.00 – 20.45 Martin Piekar, Christine Langer, Nicolai Vogel / 22.30-23.15 Sylvia Geist, Hendrik Rost, Christine Kappe / 23.30 – 00.15 Andreas H. Drescher / Markus Stegmann / Thorsten Krämer) lesen mit Felicitas von Lovenberg und den Schauspielern Anna Böger und Fredrik Jan Hofmann im Literaturhaus Frankfurt am Main. Wir freuen uns!

1. Mai 2014 19:33










Andreas H. Drescher

DER SÜDEN III

Ein Unhold ist er also geworden, unser Süden. Er war es einfach leid, dieses Gedudel unserer Stand-Musik. So rülpste er Synkopen hinein. So rülpste er noch unserem Lachen Lachen in den Schlaf. Und trug er uns schnarchend in den Vordersteven. So war er der Unhold unseres Abstandes geworden. Lange setzte er uns und setzte uns zu dort unten. Bis wir selbst den Vordersteven noch als Bierbank lernten. So hörte sein Groll nicht auf. Das war sein Vorsprung. Unser Gesang hatte sich bald tot gesegelt unter Deck. Einmal um Sonne und Mond herum. Die letzten Funken. An denen hatten wir uns beiderseits verhoben. Deshalb schaffte er uns das Große Bruchband her. Das Große Bruchband für uns alle, das besonders tief in unsere Leisten drang. In die Leisten unserer Leistungen. Einmal Unhold, immer Unhold, ganz von diesem Bruchband an. Funkenflug als Nachzahlung, Steuernachzahlung der Windrichtung, Nachzahlung des Südens.

5. Mai 2014 07:46










Christine Kappe

Minsk 5

Der Hahn spricht Russisch
Der Hund Deutsch

Idole, ja, die gibt es nun nicht mehr
so geht man halt in die Kirche
Nur die Frauen mit Kopftuch und ungeschminkt
Nur eine Kirche zum Taufen
wird natürlich zuerst gebaut
mit aufgesprühtem Schnee

Für die zweite, auf dem Dach der ersten stehenden* Kirche
braucht man 5 Millionen Backsteine
(Geräusch des automatischen Filmzurückspulens)
Die Steine dürfen keine Löcher haben – deswegen verzichten sie auf die Hilfe vom Staat
Vom Dach der Kathedrale wird man das Dach der Kathedrale sehen
Die Glocke hat Stalin vergraben

Ist die russische Mutter Gottes eine andere?
Die Alte segnet uns, schenkt uns Äpfel, Brot, hätte bald noch ihren Samowar aus der Tasche geholt
Sie hat mit den Partisanen gekämpft, einen Tag lang unter Toten gelegen, bis ein deutsches Mutter-Gottes-Bild sie errettete
Statt Hass schlägt uns Liebe entgegen
Aber wir wissen auch nicht, ob wir das so gut finden
Hier muss noch das Datum notiert werden: Oktober 1994

* Änderung vom 9.5.2014

8. Mai 2014 11:32










Markus Stegmann

Süden IV – Norden 1

Weiter nördlich, knapp temperierte Klingen im Sog der Zungen gerissene Fäden, ins Brot gewickelte Lappen, packen aufgewirbelte Teppichböden Münder ins graue Watt, statt transportierte Fresken heut Vormittag, erwähnte Fra Angelico, karminroter Osten weiter nördlich von hier aus, längsseits gestapelte Reifen, dehnbare Finger am Abzug, am, komm kleine Mütze, Lakritze, du blasser Mond, blankes Sterbensgesicht, im weisst du noch, nächtlichem Gaslicht, Terpentin, sogar „gefangen“ funktionierte nicht. Plötzlich fährst frei du, reifen wir dich vormittags, damit sie mittags nicht

8. Mai 2014 21:45










Andreas H. Drescher

DER SÜDEN V

Künftig war er also im Norden zu Hause, unser heller Gast. Wie gut, dass er uns alle in den Vordersteven seilte. So blieb uns erspart, ihm zuprosten zu müssen. Das Tau des Bruchbandes war es, das uns den Schaum von den Hälsen troff, im Tau waren wir zu Hause. Denn nur in ihm waren wir uns gegenseitig Prost und Steuernummer. Gischt und Süden blinzelten wir uns reichlich fort. Wettermarken? Wir setzten keine mehr! Wasserherren waren wir, verkleinert und landmürbe zwar, doch schon vom leisen Seegang so geschätzt, dass uns sogar der Wagemut schon ausgewogen war. Ab, ab, abhanden. So saßen wir, schwerer als nötig, einer gegen des anderen Schulter an. Bierbänkelein. Wettermarker ohne Wetter. So hasten wir dahin. So schwierig das auch scheint im Sitzen.

9. Mai 2014 11:18










Thorsten Krämer

Nord bei Nordwest

Unversehens war er da hineingeraten, hineingestolpert eigentlich, es war diese alte Höhenangst, die in kritischen Situationen plötzlich ins Bild hineinragte wie die Köpfe toter Präsidenten in die Landschaft, die Angst war es also, die ihn aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, und nun, da die Malaise ihm in dicken Schweißtropfen von der Nase troff, blieben ihm tatsächlich nur die Berge. Ein vertikales Ausweichmanöver mit geschlossenen Augen, der Angst halber, was ein Jammer war, wenn man den Einheimischen glaubten konnte, die ihre Fässer fröhlich talwärts rollen ließen und felsenfest behaupteten, die Aussicht reiche, und das nicht nur an klaren Tagen, bis nach Frankfurt.

9. Mai 2014 16:37










Hendrik Rost

Mythos GmbH

Der Rücken des Tiers,
auf dem ich reite,
ist ein Bürostuhl, Teil eines Apparats,
der Stück für Stück
Tatkraft vernichtet, die Arbeit,
die ich verrichte, hilft mir
gegen dumme Gedanken
und kontrolliert meinen Feinsinn,
ich freue mich über die Belohnung,
wenn einer Nervennahrung
auf den Tisch stellt.
Ich leiste
Stunden ab – Zeit,
die mir bleibt,
ich nutze sie fleißig,
um fester im Sattel zu sitzen.
Manchmal spüre ich den Atem
des Tiers unter mir,
das meinesgleichen verdaut.
In dieser Position
bin ich der, der seine Arbeit
in Zukunft für die Hälfte macht
oder gleich für lau.
Ich leiste mir die Rebellion,
an meiner Stelle
ahnungslos zu sein.

(Zug von Hamburg nach Ffm, 10.5.2014)

11. Mai 2014 15:41










Christine Langer

Frankfurter Regen

Eine Klavierhand spielt den Vorhang
Durchs Fenster
In Wellen wirft sich das Licht
An die Wand
Plötzlich wirfst du mir Stunden zu
In mir doppelt sich die Nacht
Ich bürste mein Haar
Es fällt über deine Schulter
Steigt über die Grenzen des neuen Tags

11. Mai 2014 18:42










Andreas H. Drescher

REGEN-RABE (für Christine Langer)

Ein Brot halten
Wo noch Schnee ist noch
Eine Pflaume in den Händen drehen
Wo die Schere eisig an den Fingerbeeren klebte

Der Geruch nach Brot
Der Geruch nach Pflaume
Ohne die Angst vor Schimmel
Ohne die Angst vor einer faulen Stelle

Den Regen aufsteigen sehen


Den Raben als Schwung vor der Taggrenze

12. Mai 2014 09:27










Thorsten Krämer

Das Lyrikkommando

Souverän passierten wir
die dicksten Pizzen der Stadt, ließen
auch den Main links liegen und zogen
weiter zum Denkmal des unbekannten Dichters.

Plötzlich waren wir zu acht, das hieß
Spielraum in der Mitte, den erklärten wir
zum Frankfurter Leerstuhl für Poetik. Einer
hatte für Goethe sogar Miami verlassen.

Alles ist ungerecht,
wenn wir nur daran glauben.

12. Mai 2014 11:55










Nikolai Vogel

Große ungeordnete Aufzählung (Detail)

München-Frankfurt, ICE, Ruhebereich, Lektüre, der parallel fließende Fluss, eine zerrüttelte Handschrift, die unscharfe Vegetation entlang des Bahndamms,

Patchwork,

eine Denkmalsehnsucht, bevorstehende Umzüge, der Büchertisch, Backstage,

Schubladen in Bildern, Bilder im Gedicht, das Fell eines Stiers, „Große ungeordnete Aufzählung (Detail)“, Paradies, Chemie, Twombly, die imaginären Telefonate, die Möwen, die Götter, Geburt in Versen, erinnerte Beilagen, Comics, der Süden, ein abwesender Autor in der Mitte der Bühne,

Bier, Wein, ein übriges Würstchen, Pommes mit Mayo, fehlendes Münzgeld im Taxi, der Regen, Abkürzung, Schlaf,

Frühstück im Goethezimmer, die zeitliche Ausdehnung des Universums, Licht,

12. Mai 2014 14:35










Christine Langer

Frankfurter Dom

Die zeitliche Ausdehnung
Meines Körpers
Der atmende Geist im Blut
Ich wandle die Erinnerung
Die Zeit wächst in Glocken-
Blumen Glocken
Sie schwingen
Nehmen mich in sich auf
Ich habe Wolken in mir
Gräserspitzen des Stadtparks
Den Geruch nasser Straßen
Jonglierende Wortkugeln
Meiner Hände
Ich blättere eine Seite
Vor und zurück
Ich kann wählen
Zwischen schwarz rot
Und weiß

12. Mai 2014 22:43










Christine Kappe

alles ist möglich:
wir essen die Joghurt (zumindest in Hannover)
unser Zug hält gleichzeitig Frankfurt Hauptbahnhof und Frankfurt Süd
die S6 wartet auf uns, weil Sylvia noch eine Zigarette rauchen will
Markus wird gelesen
Andreas ist Goethe
Christine isst ihre Gedichte
herrlich! schreibt der andere Andreas aus einer anderen Realität in München

13. Mai 2014 08:37










Andreas H. Drescher

Mich-Milch (für Hendrik Rost)

Selbst meine Großeltern habe ich
Geplant von ihrem Stehen in Ehren
Breitstein an Eingehortet habe ich
Meine Großeltern wie es mir nicht
Gefiel gefiel Ich wusste sie besser
Sie und ihre Zeit An meinem Ver
Achten vorbei habe ich sie geplant
Ihre Netze über Fahrradspeichen
Den Regen in ihrer Hutkrempe für

Mi(l)ch

13. Mai 2014 14:41










Christine Kappe

Zustellversuch 7

Dass es morgens früher hell wird und trotzdem kalt ist,
irritiert mich. Ebenso, dass einer für eine Tour aufsteht,
die noch nichtmal 100 Zeitungen umfasst. Muss die 1543
vertreten – Ekhof, Biel – weil der Zusteller gestern im
Treppenhaus gestürzt ist. Diese Straßen sind Geheimstraßen,
kopfsteingepflasterte, gemischtgebäudrige, gemischtsoziale,
kleine, dunkle Stichstraßen. Ich treffe niemanden. Falsch:
ich treffe die alte Frau, die morgens immer so langsam zum
Bäcker geht. Aber sie ist gar nicht so alt, aus der Nähe betrachtet.
Nur blass, sehr blass… Ich sage nichts, grüße, sie grüßt zurück,
bleibt stehen, an jedem Auto bleibt sie stehen und hält sich fest.
„Machen Sie die Tour hier jetzt?“
„Nur Vertretung. Der Mann ist gestürzt.“
„Ich auch.“
?
„Deswegen muss ich so langsam gehen. ’s tut alles weh.“
„Wollen Sie… zum Bäcker?“
„Ja…“
„Es ist doch erst halb 5…“

„Mensch. Machen Sie’s gut. Passen Sie auf sich auf!“
Aber das klingt mir noch lange nach: dieses Ja, was kein Ja war.

15. Mai 2014 09:01










Andreas H. Drescher

Marien-Fäden (für Christine Kappe)

Der Kokon zwischen den Wolken bis
In die Glocke hinab Wer hat ihm den

Namen gegeben? Cumulus-Kokon!
Nimbus-Kokon? – Der Kirchturmhahn

w i r d d a r a n

h
e
r
a
b

g e l a s s e n

a
l
s

Segen Die Kapelle unter den Fäden fädelt
Maria in ihr Blau Maria hat da kein Problem

15. Mai 2014 18:08










Markus Stegmann

Rüeblibaum

Zutraulich fast
rentierhaft zahme Rüebli
baumeln am Baum
erhoben sich aus
unsichtbarem Raum
wuchtigen
Erinnerungsbeeten
fortschreitender Kindheit
als sich etwas
unbemerkt verschob
hängen am kugeligen
Baum treibt ein Traum
zwischen Verbot und
Vertreibung aus dem
Paradies wo ich sowieso
nie war geschweige
denn aber vielleicht
ja du

Zu Ramon Schnyders noch nicht existierendem, aber um so sichtbarerem „Rüeblibaum“

15. Mai 2014 22:14










Christine Langer

Maibaum

Der Himmel steht still
Nur die Bänder des Maibaums
Reißen sich los nach Süden

Im Rhythmus der Stille
Schlägt nur der Puls von
Gleichgewicht und irdischer Gewißheit

15. Mai 2014 23:25










Hendrik Rost

Gedicht statt eines Denkmals

Jeden Tag gehe ich in Lessings
Schatten über den Gänsemarkt,
zu seinen Füßen sitzen Figuren,
die kein anderes Obdach haben,
oder Leute aus den Agenturen
und Banken, die hier ihr Unwesen
treiben. Vielleicht hat er Recht,
der Aufklärer: Ich nicht und keiner
dieser Menschen muss müssen.
Aber jeder von uns – wir werden
einander eines Tages vermissen.

Schemen des Ruhms. Mehr Denkmal
ist nicht als dies Gedicht. Es feiert
sich und sieht keinen großen
Unterschied zwischen der Tafel
aus Bronze am Sockel der Statue
und der Pappe, auf die ein armer
Teufel gekrakelt hat: Habe Hunger.
Das ist in jedem Fall Hamburgische
Dramaturgie. Über das Mitgefühl
mit anderen die Menschen zu
verstehen, die so sind wie wir.

Auf dem Gedicht landen keine
Tauben, es rostet nicht, keine
Aussicht auf künftige Größe
verzerrt seinen Blick auf die Welt.
Was es sieht, muss keinem
gefallen, nicht mal ihm selbst.
Die letzte Phase der Evolution
macht jeder mit sich aus:
für das Menschengeschlecht
Gutes zu tun. Bettler, Standbild,
Banker – ich geb dem einen
etwas Geld. Die anderen stehen
mir im Licht. Keiner verrät, was
ihn bewegt in seiner Position.

16. Mai 2014 09:34










Andreas H. Drescher

Steinstelz

17. Mai 2014 07:32










Andreas Louis Seyerlein

~

2.28 – Das Museum der Nachthäuser befindet sich am Shore Boulevard nördlich der Hell Gates Bridge, die den Stadtteil Queens über den East River hinweg mit Randilis Island verbindet. Es ist ein recht kleines Haus, rote Backsteine, ein Schornstein, der an einen Fabrikschlot erinnert, ein Garten, in dem verwitterte Apfelbäume stehen, und der Fluss so nah, dass man ihn riechen kann. Während eines Spazierganges, zufällig, entdeckte ich dieses Museum, von dem ich nie zuvor gehört hatte. Es war ein später Nachmittag, ich musste etwas warten, weil das Museum niemals vor Einbruch der Dämmerung öffnete. Es ist eben ein Museum für Nachtmenschen, die in Nachthäusern wohnen, welche erfunden worden waren, um Nachtmenschen artgerechtes Wohnen zu ermöglichen. Als das Museum dann endlich öffnete, war ich schon etwas müde geworden, und weil ich der einzige Besucher in dieser Nacht gewesen war, führte mich ein junger Mann herum. Er war sehr geduldig, wartete, wenn ich wie wild in mein Notizbuch notierte, weil er spannende Geschichten erzählte von jenen merkwürdigen Gegenständen, die in den Vitrinen des Museums versammelt waren. Von einem dieser Gegenstände will ich kurz berichten, von einem metallenen Wesen, das mich an eine Kreuzung zwischen Gecko und Spinne erinnerte. Das Ding war verrostet. Es hatte die Größe eines Schuhkartons. An je einer Seite des Objekt saßen Beine fest, die über Saugnäpfe verfügten, eine Kamera thronte obenauf wie ein Reiter. Der junge Mann erzählte, dass es sich bei diesem Gerät um ein Instrument der Verteidigung handelte, aus einer Zeit da Nachtmenschen mit Tagmenschen noch unter den Dächern ein und derselben Häuser wohnten. Das kleine Tier saß in der Vitrine, als würde er sich ducken, als würde es jederzeit wieder eine Wand besteigen wollen. Das war nämlich seine vornehme Aufgabe gewesen, Zimmerwände zu besteigen in der Nacht, sich an Zimmerdecken zu heften und mit kleinen oder größeren Hammerwerkzeugen Klopf- oder Schlaggeräusche zu erzeugen, um Tagmenschen aus dem Schlaf zu holen, die ihrerseits wenige Stunden zuvor noch durch ihre erbarmungslos harten Schritte den Erfinder der Geckomaschine, einen Nachtarbeiter, aus seinen Träumen gerissen haben mochten. Es war, sagte der junge Mann, immer so gewesen damals in dieser schrecklichen Zeit, dass sich Tagmenschen sicher fühlten vor Nachtmenschen, die unter ihnen lebten, die mit Schritten die Zimmerdecken ihrer Wohung niemals erreichen konnten. Aus und fini! – stop

> particles

17. Mai 2014 14:45










Christine Langer

Postkartenbild

Der Anblick macht schwindelig
Ein Heißluftballon
Über dem Mohnfeld
Das runde Rot im Himmel
Bringt die Mohnblumen zum Schweben
Atmet sie ein und aus
Gespenster die Wolken
Blutsbrüder des eigenen Körpers
Hineinfallen ins mittige Gesicht
Aufgehen hinaufsehen
Ins ohnmächtige mohnlippige Wort

17. Mai 2014 23:31










Andreas H. Drescher

Weißbier – vermauert (für Nikolai Vogel)

Flugmöbel aus Mörtelstaub
wassergewaagt im Schlaf der
seinen Lauftraum stickt

Das Montagsblau hinter
der Apnoe Uhren mit der Er
kenntnis selbst Poliere

haben zwei Zeiten eingekellt

19. Mai 2014 07:14










Carolin Callies

Rohstoffe IV

nicht viel & wir schnitten die türen in äpfel;
nicht viel & wir sägten das fenster ins laub.
ich trug viel davon & zu tragen vermochten wir steinobst
& kehlbrandt & durstige mäuse aus unserem stall.

der bärbeißgestank überfüllte uns morgens
& mittags, da tranken wir laub vom Karton.

20. Mai 2014 15:11










Nikolai Vogel

Die Assoziationsmaschine füttern

Alltag, Bilder, ein über eine Brücke fahrender Zug, der Fluss steht, das Ufer bewegt sich, Erddrehung, Schlafphasen, Wachphasen, Ebbe und Flut,

(mit Dank an Andreas H. Drescher fürs Weißbier ein Stück weiter unten)

20. Mai 2014 20:37










Hans Thill

Von den Wäldern

Von den Wäldern haben wir noch
die Buchstaben. Der ruhige Schritt einer Eiche,
Reisig, das sich öffnet und schließt wie ein Herz,
eine Glastür am Flughafen

Du kaufst eine Zeitung, die Flügel eines klein
gemusterten Schmetterlings.
Draußen vor der Stadt hört man das Stottern der Wälder

Lärm des Alphabets, so auch in den
Zonen das Reden der Frauen, die ihre Duden
zeigen, als wollten sie alles in einem
dunklen Teich waschen. Das Wetter ist
klebrig und klar

21. Mai 2014 16:34










Christine Langer

Suche nach Klee

Jazz in den Wolken
Die wuchernden Gebilde
Deiner Stimme
Der Wind fällt in Locken
Klingt in Glocken-
Blumen holt das Blau
Auf die Erde der Rhythmus
Der Gräser wippt zwischen Wolken-
Wiesen krautigem Grün ich suche
Nicht mehr nach dem Glück

21. Mai 2014 16:49










Andreas H. Drescher

Meldung

Am 10. Mai, einem regenreichen Samstag, waren acht Dichterinnen und Dichter des Goldenen Fisches im Frankfurter Literaturhaus zu Gast. Die Vielgestaltigkeit ihrer Texte spiegelte sich auch in der Ausgestaltung der einzelnen Lese-Blöcke. Zunächst lasen Martin Piekar (aus „Bastard Echo“), Christine Langer (u.a. aus „Findelgesichter“) und Nikolai Vogel (aus „Große ungeordnete Aufzählung“ / Detail) in dieser Abfolge. In der nächsten Sequenz ließen Sylvia Geist (u.a. „Gordisches Paradies„), Hendrik Rost (u.a. „Licht für andere Augen„) und Christine Kappe (u.a. „Variationen über die Stille“ /Hörstück ), einer auf den Text des anderen reagierend, den Fokus von Autor zu Autor springen. Im dritten Block schließlich hielten Thorsten Krämer („Tender Gimmicks„) und Andreas H. Drescher („Das Cyan-Buch„) den Stuhl zwischen sich für den erkrankten Markus Stegmann („Die Anfangszeiten der Nacht„) frei und machten den Versuch, den abwesenden Autor zwischen sich „aufzurufen“, indem Thorsten im Dialog „Gerhard“ und im Trialog „Nord-Süd“ – beide hier im Fisch nachzulesen – die Passagen übernahm, die sonst Markus gelesen hätte. Ein hochdichter Abend intensiver Begegnung. Fotografien wurden von Christine Kappe und Carolin Callies aufgenommen, die die Lesung mit Andreas Louis Seyerlein gemeinsam organisierte. Wir freuen und bedanken uns bei Carolin und Andreas, sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Literaturhauses Frankfurt am Main.

21. Mai 2014 18:38










Andreas H. Drescher

Klee

23. Mai 2014 08:50










Christine Kappe

* (für Andreas Louis Seyerlein und die Nachtmenschen)

04.17 – Maik, in dicker, roter Steppjacke, mit Kapuze und Badekappe darunter. Hört mich erst gar nicht, als ich grüßend an ihm vorbeiradele. Dreht sich dann um wie ein Uhu und grüßt zurück, wobei ich am farblosen „Guten Morgen“ höre, dass er mich im Dämmerlicht gar nicht erkannt hat. – Neuerdings bleiben mir immer diese Sätze im Ohr, die nicht so gemeint sind. (Maik würde nie jemanden grüßen, den er nicht kennt!) Beim Weiterfahren denke ich noch über ihn nach. Er will sich vor den Witterungseinflüssen schützen. Und er will nicht gesehen werden. Aber warum hat er dann eine rote Jacke gewählt?

24. Mai 2014 07:34










Hans Thill

… von den Wäldern …

man hat dich aus dem dichten
afrikanischen Wald gelockt. Birke und Doppeleiche,
gehegt oder von Tieren zerbissen.
Die Schrift liegt längst hinter dir,
ein Griffel

in einem Leib aus Kreide oder die
Spur der Erschöpfung. Frösche der Erschöpfung.
Von den Wäldern haben wir noch das Moos, das weiche Bett
der Schrift auf einem Augenhintergrund,
grün wie ein Pullover, ein Lorbeer mit
Angsttrieben

29. Mai 2014 10:37










Markus Stegmann

Was ist das, was

Tiere von Telefonen zu Wanzen verlangsamen sie ändern im silbrigen Verteiler hängen zwischen Schaben und Zwängen zu Reihen Rothirsch mit Lehm Bagatellen inthronisierte flache Lamellen bugsiert Tran Tabletten meterlang beteuerte Treue abendlich verhält sich zerbricht auf Sicht deiner Augen im veralgten Teer Tang vertigerte Tage was fehlt uns die allerleichtesten Opfer sind zu Tal taumelnde Zungen auf schwerelos
namentlich erwähnter
Pappe
wuchs ohne
pastose Verlängerung
fuhr verblichen
was das für Leute sind
was ist das
was

29. Mai 2014 21:19